von Mats Wohlers.
Prolog
Und dann warf er endlich. Er rannte und rannte. Seine Beine waren müde und der Tag war schon wieder viel zu lang. Er hatte sein Zeitgefühl mittlerweile komplett verloren. Warum wusste er nicht. Doch trotzdem flog er wie der Blitz über das Gras. Dann fing er ihn und biss ohne zu zögern hinein. Während seine Beine langsamer wurden begann er zu kauen und zu schlucken, als er plötzlich etwas scharfes in seiner Kehle spürte. Er begann sich zu wundern als ihm klar wurde, dass er Atemnot bekam. Es wurde zunehmend schwerer einen klaren Gedanken zu fassen da die Gräte nun schon seit einiger Zeit seine Luftzufuhr blockierte. Er fiel rücklings auf das weiche feuchte Gras und verlor langsam das Bewusstsein, während er von weitem Boris schreien hörte: „Duke, Duuuuke!“.
Nach Hilfe wollte er rufen, doch dafür war es zu spät.
Kapitel 1
Jetzt kam es!
Das, worauf er sich schon dem ganzen Tag gefreut hat. Er sah in seinen Badezimmer Spiegel und kämmte noch ein letztes Mal seine Haare nach hinten, nur um anschließend auf dem Weg zur Tür schlendernd seine Schiebermütze aufzusetzen. Er pfiff zweimal laut, was zur Folge hatte, dass Duke durch die Wohnzimmer Tür stürzte, wobei er beinahe mit seinen Krallen auf dem laminierten Fußboden den Halt verlor. Er griff die Schlüssel des 1945er Bentley R-Type Continental, den er sich von seinem früherem Schulfreund Rudi McRandom ausgeliehen hatte. Boris wunderte sich stets wieder, wie ein Mensch wie Rudi, es zu so einem Auto bringen konnte. Jede Kurve, jede Kante, jedes Detail dieses Gefährts war pure Exzellenz, das musste er ihm lassen, Geschmack hatte Rudi. Rudi war vom Beruf ein Glückspilz. Nach dem Dienst in Vietnam hatte sich Rudi entschieden, in eine Firma zu investieren, die nachhaltige Energie produzierte. Boris wünschte sich, er hätte auf seinen Freund gehört und wäre mit ins Geschäft eingestiegen und dennoch war Boris ein glücklicher Mann. Er war ein unkomplizierter Mann, ganz im Gegensatz zu Rudi. Er war eher ein tollpatschige Genie mit lauter speziellen Vorlieben und Ideen.
Boris schloss die Tür hinter sich ab und stieg in das wundervolle schwarze Auto. Er platzierte Duke im Fußraum des Beifahrersitzes und startete den Motor. Das wundervolle Geräusch, was aus dem Motor hervorkam, ließ Duke hochschrecken. Boris fuhr langsam vom Grundstück, dennoch nicht ohne einen tadelnden Blick von seinem Hund Duke einstecken zu müssen. Der Hund namens Duke war ein West Highland White Terrier, den Boris nun schon seit 5 Jahren hatte. Die Hunderasse schottischen Ursprungs war bekannt für ihr helles Fell und ihren freundlichen, lebhaften Charakter. Jedoch war Duke ein außergewöhnlich schlauer Hund. Manchmal kam es Boris so vor, als ob Duke mit ihm kommunizieren konnte. Als Boris aber seinen Freunden davon erzählt hatte, hatten sie eher darüber gelacht und ihn einen psychologischen Grenzfall genannt. Es war ein ungeheurer Zufall, dass genau dieser Hund einem von ihnen irgendwann mal das Leben retten würde.
Kapitel 2
Als er den Wagen abstellte, sah es im Pub schon sehr lebhaft aus. Das Holzschild an dem niedlichen Eckhaus war schon leicht verwittert, jedoch konnte man die Worte THE DRUNKEN KILT „where the Whisky flows“ noch gut erkennen. Als Boris zusammen mit Duke die Kneipe betrat, wurde Duke wie jeden Tag von Yapper, dem Hund vom Besitzer Mr. Kemp empfangen. Boris gesellte sich zu den anderen an den kreisrunden Tisch mit der runden Eck-Couch. Links neben ihm saß, wie üblich, Rudi, der sich wie immer nach seinem Auto erkundigte: „Na hast du es diesmal geschafft noch einen Parkplatz für die Ladies freizulassen oder stehst der Bentley wenn wir nachher das Haus verlassen quer auf drei Parkplätzen?“ Boris erwiderte nichts und tauschte einen schmunzelnden Blick mit Kenneth aus. Kenneth Clark hatte, wie auch die anderen mit ihm zusammen in Vietnam gedient und war einer von Boris besten Freunden. Dann waren da noch Alistair Campbell, Gordon Young und Lord Fergus Steward of Glencoe. Das waren sie die einzigen Schotten im Land, die in Vietnam Hand in Hand mit den Amerikanern gedient hatten und noch leben. Sie trafen sich jeden Abend zu Skat spielen und nannten sich „Die Alten Tage“. Es war das tägliche Highlight aller Mitglieder, abends im Pub Zeit mit Gleichgesinnten zu verbringen und Skat zu spielen.
Als Kenneth und Boris dabei waren, sich in ein Gespräch über den besten Weg Bauchfett zu verlieren vertieften, ertönte auf einmal ein hohes Klingeln. Bing, Bing, Bing!
Es war Gordon gewesen, der mit der Rückseite seines Metalllöffels notdürftig gegen sein kleines Whisky Glas klopfte um die Aufmerksamkeit seiner Freunde zu bekommen. „Ich hoffe hier wollen alle mal was erleben!!!“
Zögerndes Nicken...
„Wie ihr natürlich alle wisst, habe ich morgen Geburtstag! Und nicht nur irgendein Geburtstag... sondern meinen 80. Geburtstag. Ich lade euch alle hiermit dazu ein, morgen mit mir ins Kasino zu kommen, denn dort wird morgen Skat gespielt nicht um Geld natürlich, jedoch kostet der Eintritt 20 Dollar. Das werde ich übernehmen und jegliche Snacks und Getränke sind im Preis mit inbegriffen.“
„Ich bin dabei“ rief Boris, woraufhin die anderen ebenfalls ankündigten sich Gordon anzuschließen.
„Sooo!“ rief Alistair „Wer hat Lust auf eine Runde Skat?“
Er begann die Karten auszuteilen, nachdem er akribisch gut gemischt hatte.
„Wir wollen ja nicht, dass es wieder an mir liegt, dass Rudi gewinnt. Nur weil er einen Pakt mit dem Gott der Karten abgeschlossen hat, müssen meine Mischfähigkeiten ja nicht direkt in Frage gestellt werden.“
„Ich bin nunmal ein Glückspilz!“ erwiderte Rudi, der sich bisher zurückgehalten hatte.
Und so verging der Abend. Runde um Runde, bis einer nach dem anderen nach Hause ging. Boris verließ die Runde und wurde von Rudi nach Hause gefahren.
„Gehst du noch eine Runde mit mir und Duke Gassi?“, fragte Boris, während er aus dem eleganten Bentley stieg.
„Nein mein Freund, heute nicht. Meiner Frau geht es momentan nicht so gut und ich muss nach Hause“, antwortete Rudi.
„Was hat sie denn? Normalerweise ist sie doch immer gut drauf und für Abenteuer zu haben. Ich erinnere mich noch, wo wir zusammen im Gebirge waren und sie die einzige war, die ohne zu zögern die Seilbahn ohne Sicherung benutzt hat“, sagte Boris
„Sie hatte einen schweren Autounfall und liegt seit einem Monat im Krankenhaus“, erklärte Rudi.
„Aber warum hast du uns das nicht schon früher gesagt mein Freund? Manchmal ist es wichtig solche Dinge nicht in sich hineinzufressen, sondern sie auszusprechen.“
„Ich kam abends immer zum Skat, um an etwas anderes denken zu können und Spaß zu haben, deshalb wollte ich es nicht ansprechen verstehst du? Außerdem kostet die Behandlung eine Menge Geld und finanziell läuft es gerade leider auch nicht gut. Ich bin beinahe pleite, Mann!“, klagte Rudi.
„Oh man Rudi das tut mir echt leid, aber du weißt: Hinter den dicksten Wolken verbirgt sich meist der schönste Regenbogen. Ich will, dass du weißt, dass wir immer für dich da sind“, sagte Boris.
Daraufhin schlug er die Beifahrertür zu und winkte Rudi nach, als er das Grundstück verließ.
Kapitel 3
„Wahrscheinlich war der nur neidisch auf meinen Oberarm-Umfang“, witzelte Kenneth über den mürrisch dreinblickenden Türsteher des Kasinos, der ihn beinahe nicht hineinlassen wollte.
„Ich glaube dahinten müssen wir auch noch durch“, sagte Gordon und deutete auf eine Milchglas-Tür.
Als sie den abgegrenzten Raum betraten, fanden sie sich in türkis-blauem Neonlicht wieder. Pinke Neonröhren beleuchteten die Ecken des Raums und kreierten eine sprachige Atmosphäre. Im Raum verteilt standen 6 kreisrunde Tische, wo schon gespielt wurde. Zwischendurch rannten immer wieder Kellner durch den Raum und verteilten Snacks und kleine Sektgläser.
Sobald sie sich an einen Tisch setzten, kam ein Kellner und bot jedem ein Glas Schampus an. „Willkommen im Diamond Dome meine Herren“, sagte er und machte sich auf dem Weg zum nächsten Tisch. Die Karten wurden ausgeteilt und sie begannen Skat zu spielen.
„Ich gehe einmal auf die Toilette“, sagte Rudi und verschwand vom Tisch.
Sie spielten und spielten und jedes Mal gewann ein anderer.
Das ließ Fergus stutzig werden: „Wo ist eigentlich Rudi abgeblieben? Es macht ja richtig Spaß, wenn nicht immer der Gleiche gewinnt!
„Stimmt!“, erwiderte Kenneth. „Meinte der nicht er müsse auf die Toilette?“
„Ja das meinte er, das ist nun jedoch schon eine Stunde her“, sagte Boris. „Vielleicht sollte mal jemand nach ihm sehen“, sagte Boris und stand auf.
„Ich komme mit“, sagte Kenneth.
Die Besucher schreckten hoch, als Rudi fluchend den Skat-Raum betrat.
„So eine Scheiße, Mann!“, rief er. Unmittelbar hinter ihm stolperten Kenneth und Boris in den Raum und versuchten den wutentbrannten Rudi zu beruhigen.
„Du siehst ja fürchterlich aus Rudi“, bemerkte Alistair. „Was ist denn nur passiert?“
„Ich bin ruiniert!“, weinte Rudi und verdrückte unter den besorgten Blicken aller Alten Tage eine Träne. „Zehntausend!!! Verdammte Zehntausend!“, rief er.
„Was meinst du Rudi, zehntausend was?“
„Zehntausend Euro natürlich! Zehntausend Euro schulde ich denen“, sagte Rudi.
„Wem Rudi? Wem schuldest du so viel Geld?“, fragte Boris.
„Ja den Pokerspielern. Die haben mich gefragt ob ich mitspielen will. Und da ich gerade ja Geld brauche habe ich halt ja gesagt“, erwiderte Rudi.
„Du willst uns sagen, dass du diesen Typen Zehntausend schuldest? Rudi, das sind miese Typen mit denen solltest du dich niemals anlegen!“, sagte Kenneth.
„So kommen wir nicht weiter! Ich bin dafür, dass wir Rudi unter die Arme greifen und das Geld zusammenlegen, was die Männer wollen. Dann kannst du Rudi uns es im Laufe der Zeit wiedergeben und hast keinen Ärger mit diesen Männern“, sagte Alistair
„Ich halte das für eine gute Idee“, sagte Boris. „Wie lange hast du denn Zeit den Männern das Geld zu besorgen?“
„Sie meinten, sie kommen in einer Woche zu mir nach Hause und dann soll ich ihnen das Geld geben“, sagte Rudi.
„Also Männer, ich denke der Abend ist vorbei. Wir beschaffen dir das Geld, Rudi und du versprichst uns, dass du nächstes Mal wenn du in Schwierigkeiten bist dich an deine Freunde wendest“, sagte Gordon
Mit einem unguten Gefühl gingen alle nach Hause und Rudi fuhr Boris und Duke, der den Abend über in einem extra Raum für Hunde verbracht hatte, nach Hause.
Kapitel 4
„Es ist weg! Es ist alles weg!“, rief Rudi in sein Telefon.
„Was ist weg? Doch nicht etwa das ganze Geld?“, sagte Boris.
„Eben doch! Die zehntausend Euro in bar. Ich kann sie nichtmehr finden. Sie müssen mir geklaut worden sein“, sagte Rudi. „Diese Typen stehen vor meiner Wohnung und ich habe ihnen gesagt, dass ich nur kurz das Geld holen gehe. Sie sind zu dritt.“
„Ok Rudi, ich bin gleich bei dir! Ich denke mir auf dem Weg etwas aus“, sagte Boris und legte auf.
Als Boris mit Duke im Schlepptau bei Rudi ankam, hing die Haustür schräg aus den Angeln. Duke lief schnell voraus, sodass Boris nur sehr schwer hinterher kam. Doch bevor Boris das Haus betreten konnte, lief Duke schon wieder hinaus. Hinter sich zog er Rudi an einem Zipfel seiner Jeans hinaus.
„Du wirst es nicht glauben! Diese Typen wollten mir gerade an die Gurgel, als auf einmal Duke hinter ihnen auftauchte. Dann ging alles viel zu schnell und ehe ich mich versah, waren alle drei Gauner bewusstlos. Ich weiß nicht, was du deinem Hund heute morgen zu essen gegeben hast, aber ich glaube er ist so etwas wie der Jackie Chan der Hunde!!!“, rief Boris. „Du überraschst mich immer wieder neu mein Lieber“, murmelte Boris Duke zugewandt, was Duke mit einem energischen ˋwoofff ́ bedachte.
„Erhole dich von dem Schock mein Freund. Wäre es Okay wenn ich deinen Bentley ausleihe für einen kleinen Ausflug zum See? Ich denke Duke hat eine kleine Belohnung verdient!“
Die Sonne leckte am Horizont, als Boris und Duke entspannt zum Steg liefen, um die Füße ins Wasser baumeln zu lassen.
„Kannst du nicht mal 10 Minuten nichts machen Duke?“, klagte Boris als Duke hüpfend und hechelnd um Boris herumhüpfte.
Duke zog leicht eine Augenbraue nach oben und sah daher leicht gereizt aus.
„Ja du bekommst deine Belohnung schon noch keine Sorge!“
Daraufhin besserte sich Duke‘s Laune und wurde noch besser, als Boris einen Fisch aus einem Plastikbeutel holte, den er in seiner Jackentasche verstaut hatte.
Er stand langsam mit Hilfe seine Gehstocks auf und holte weit aus.
Und dann warf er endlich. Dukes Krallen gruben sich in den Boden und boten ihm Halt, als er mit einem irren Tempo loslief. In einem gleichmäßigen Rhythmus flitzte Duke über das Gras und visierte den fliegenden Fisch, der in etwa so groß war wie eineinhalb Hände, an. Dann sprang er hoch und biss mit seinen Zähnen in das weiche Fleisch, als wäre es warme Butter. Er begann zu kauen und Boris wandte lächelnd den Kopf wieder in Richtung Wasser. Und dann nichts mehr. Boris wunderte sich, dass Duke ihn nicht wie üblich von hinten anfiel, wenn er sich entspannte. Er wandte den Kopf und sah Duke auf dem Gras liegen. Etwas in ihm schlug Alarm und er begann seinen Herzschlag zu spüren. Er stand so schnell auf, wie es ihm möglich war und humpelte mit seinem Stock auf den einige Meter entfernt liegenden Duke zu.
„Duke, Duuuke!“ rief er verzweifelt.
Als er ihn erreichte lag Duke halb bewusstlos auf der Seite und ihm hing die Zunge seitlich aus dem Mund.
Boris hob ihn auf und trug ihn so schnell es ging zu Rudis Bentley. Er platzierte Duke wie immer im Fußraum des Beifahrersitzes und schwang sich auf den Fahrersitz. Er öffnete das Handschuhfach, um Duke etwas Wasser zu geben. Dann sah er es! Er wollte seinen Augen kaum glauben, als er die Bündel sah. Mehrere Tausend in bar mussten es sein, was Boris so hochschrecken ließ, dass Duke aus der Bewusstlosigkeit aufwachte und würgend eine dicke Gräte auf den Boden fallen ließ. Es traf sie beide wie der Blitz, als sie die gesammelten zehntausend Euro in bar sahen. Sie rollten beide die Augen und fuhren mit der Restsonne im Rückspiegel heim.
Kommentar schreiben