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My found melody

von Israa Atrash. 


 

„Warum schaust du so bedrückend, kleines Mädchen?“, fragte sie. „Ich habe keine Melodie“, antwortete Leyla leise, als ob sie ein Geheimnis preisgab. „Ich kann nicht singen oder spielen wie die anderen. Ich bin einfach… gewöhnlich.“ Die alte Frau nickte verständnisvoll. „In jedem von uns liegt eine Melodie auch wenn sie manchmal in Vergessenheit gerät. Du musst lernen, nach ihr zu suchen.“

Leyla lebt in einem kleinen Dorf mit ihren Eltern und ihrem Bruder. Ihr Vater zeigte ihr niemals seine Liebe, stattdessen schlug er sie nieder mit seinen Worten. Eines Tages brachte sie ihrem Vater eine Tasse Kaffee, jedoch zitterte ihre Hand. Plötzlich fiel sie ihr aus der Hand und zerbrach in Stücke. Der Vater reagierte sehr wütend und schrie: „Was hast du gemacht? Du bist nicht mal fähig, eine Tasse zu tragen. Was kannst du eigentlich?“

Leyla, die erschrocken dastand, traute sich keinen Mucks von sich zugeben.

Die Mutter kam aus der Küche, um nachzuschauen, was passiert war, und um den Vater zu beruhigen. Gleichzeitig ging Leyla hastig in ihr Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Sie legte sich ins Bett und umarmte ihre Kissen, während Tränen auf ihre Wangen wie ein Wasserfall flossen. Der einzige Gedanke war, aus dieser Familie zu verschwinden.

„Aber wie?“, fragte Leyla die alte Frau. „Ich habe alles versucht und hatte keinerlei Erfolg.“ „Manchmal musst du einfach die Stille annehmen, um die tiefste Melodie in dir zu finden.“ Geh raus und erkunde die Welt, such nach dem, was dich bewegt.“ Sofort verschwand die alte Frau und Leyla blieb nachdenklich am Flussrand zurück. Die alte Frau gab Leyla den Mut, dass ihre Melodie irgendwo auf sie wartete.

Sie ging durch die Wälder und besuchte lebhafte Städte. Überall sah sie Menschen, die lachten und musizierten, wie ein harmonisches Orchester, aber sie fühlte sich noch immer verloren. Sie begann zu weinen und murmelte zu sich selbst „Ich werde nie finden, wer ich wirklich bin.“

Plötzlich hörte sie ein sanftes Summen, sie folgte ihm neugierig. Tief in den Wald führte sie das Summen zu einer Lichtung, wo ein schimmerndes Einhorn stand.

„Hallo“, sagte das Einhorn mit einer sanften Stimme. „Was führt dich hierher, Kleines?“ Sie schaute dem Einhorn in die Augen und gestand: „Ich suche nach meiner Melodie, aber ich finde sie nicht.“

„Manchmal muss man bereit sein, loszulassen, um sich selbst zu finden. Ich werde dir helfen, aber du musst mir dein Herz zeigen“, antworte das Einhorn. Hier stellte Leyla fest, dass sie ihr Herz öffnen musste, um zu wissen, was immer schon in ihr war.

Doch das Einhorn verlangte von ihr, mit ihm unter den Sternen zu tanzen.

Sie spürte, dass sich etwas in ihrer Brust regte. Ihre Freude, ihre Träume und Ängste überfluteten sie wie eine inspirierende Welle. Sie bemerkte, dass das Summen des Einhorns der Klang ihrer Melodie war, da die Töne ihre Emotionen abspielten.

„Das ist es“, rief sie. Ich hab es endlich gefunden“, wiederholte sie es mit großer Freude. Das Einhorn flüsterte „Du bist der Schüssel zu deiner eigenen Freiheit. Vergiss nicht, dass die Melodie der Seele nie verstummt solange das Herz schlägt.“ Nach diesen Worten verblasste das Einhorn.

Die hellen Sonnenstrahlen am Morgen weckten Leya auf. Das erste Mal fühlte sie, dass sie einen guten Schlaf hatte. Sie stand auf, öffnete das Fenster, setzte sich auf die Fensterbank, um frische Luft zu schnappen. Die Vögel zwitscherten so schön, dass Leyla in Gedanken versank. „Was war das für ein Traum? Und warum trifft es mich so sehr?

 Hat die alte Frau recht? Ich hab Angst auf meiner Melodie zu hören, aber ich möchte wissen, was wirklich in mir ist. Was ist, wenn…?“

Die Mutter unterbrach die Gedanken ihrer Tochter, als sie Leyla zum Essen rief. „Leyla, komm frühstücken.“ „Okay Mama, ich komme.“ Schnell ging sie hinunter. Als sie gerade an der Küche vorbeiging, um ins Wohnzimmer zu gelangen, roch sie die frisch gebackenen Börek. Ihre Mutter war eine liebe und ruhige Person. Sie zeigte ihre Liebe, indem sie Essen zubereitete, das Lelya mochte. Deshalb wachte sie früher als die Hühner auf, wie man so schön sagt, und backte die leckeren Börek mit Käse, um ihre Tochter glücklich zu sehen. Sie ging auf ihre Mutter zu, um ihr zu helfen und sagte :„Hmm, riecht es himmlisch.“ Die Mutter gab der Tochter einen liebevollen Kuss auf die Backe. Als sie am Esstisch saßen, fühlte sich Leyla unwohl, da ihr Vater sie mit einem bösen Blick anschaute. Sie fragte sich, was sie jetzt angestellt hatte. Doch sie ignorierte ihn schnell und begann zu essen. Während sie ihren Tee austrank, gab sie ihrer Mutter Bescheid, dass sie mit ihrem Freund verabredet ist.

Als bei Yasin ankam, umarmte sie ihn ganz fest. Yasin spürte, dass irgendetwas nicht stimmte, aber fragte nicht nach. Im Flur begrüßte Leyla seine Mutter. „Hallo Leyla du Hübsche, na, wie geht es dir?“, fragte die Mutter. Leyla antwortete: „Gut danke und dir?“. Doch Leyla log in diesem Moment, weil sie nicht so gerne mit anderen über ihre Gefühle redete. Außer mit Yasin, da er ihr einziger Vertrauter war. Die Mutter seufzte: „Gut, aber ich muss zur Arbeit fahren.“ Sie gingen ins Wohnzimmer, um einen Film zusammen zu schauen. Yasin bemerkte mitten im Film, dass Leyla etwas verheimlichte. „Leyla, ist alles okay?“ Leyla senkte ihren Kopf auf seine Burst und begann zu weinen. Yasin war besorgt und streichelte ihr die Haare.

Yasin wischte ihre Tränen weg. „Ist etwas zu Hause passiert?“ In Leylas Augen sah man die große Verzweiflung. Er stoppte den Film, um Leyla seine volle Aufmerksamkeit zu geben. „Gestern ist mein Vater ausgeflippt. Seine Worte fühlten sich wie Messerstiche an.“

Sie erzählte ihm, was passiert war.

Yasin war schockiert. „Warum ist dein Vater so? Wie kann man seine Tochter so behandeln? Du hast nichts Falsches gemacht. Du musst da raus. Ich mache mir Sorgen um dich“, betonte Yasin. „Du hast recht. Ich muss dieses Leid nicht mehr ertragen. Aber was soll ich machen und wo soll ich hin“, murmelte Leyla. „Du musst deinem Vater seine Grenzen zeigen, damit er seine Fehler einsieht. Komm und zieh bei mir und meiner Mutter ein“, schlug er vor. „Aber.... aber was ist mit deiner Mutter?“, fragte Leyla mit einer brechenden Stimme. „Mach dir darüber keine Sorgen. Ich werde mit meiner Mutter darüber reden. Außerdem haben wir noch genug Platz in unserer Wohnung.“ Die Aufmunterung von Yasin ließ sie einen Anflug von Erleichterung fühlen. „Danke, dass du bei mir bist. Ich bin froh, dass du mir nicht das Gefühl gibst, allein und einsam zu sein.“ Dann umarmte er Lelya und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Komm lass uns den Film weiter schauen. Ich bin mir sicher, der wird dir gefallen.“

Als sie vor ihrer Haustür stand, atmete sie ganz tief durch und drückte die Türklingel. „Wer ist da?“, rief die Mutter und öffnete die Tür. Im gleichen Moment trat der Vater hinterher. Er roch strak nach Alkohol. „Von wo kommst du, du Nutzlose, brüllte er vor sich hin. Er zog seinen Schuh aus und schlug Leyla auf den Körper. „Wer erlaubt dir rauszugehen, ich bin dein Vater. Du hast nichts zu entscheiden.“

Leyla versuchte, ihn wegzuschubsen, doch er schlug sie noch mehr. Die Mutter zog ihren Mann mit ihrer ganzen Kraft, um ihrer Tochter zu helfen. „Lauf weg, Leyla“, rief sie. Leyla lief schnell nach oben.

Am nächsten Tag herrschte zum ersten Mal eine Stille im Haus. Leyla kam die Treppe runter und hielt ihren Koffer in der Hand. Sie erkannte, dass es ihrem Vater schlecht ging. „Ich fühle mich so klein wie eine Ameise“, äußerte er und schaute dabei seine Tochter in die Augen. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht schlagen. Wirklich. Ich wollte nicht, dass es bis hierkommt.“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter. „Verzeih mir, ich war betrunken.“ Leyla schob seine Hand weg.

Sie fühlte trotzdem eine Enttäuschung, die ihr Vater nie wieder besser machen konnte. Die Mutter umarmte ihre Tochter und fühlte, als würde sie einen Teil von sich verlieren. Doch sie wollte, dass ihre Tochter ein friedliches Leben führt. „Ich bin immer für dich da, meine Tochter. Sei dir sicher, dass ich dich bei jedem Schritt in deinem Leben begleiten werde.“ Leyla ging aus dem Haus mit den letzten Worten ihrer Mutter und fühlte sich ganz leer.

Im Bus erinnerte sie sich an das Einhorn, der in ihrem Traum aufgetaucht war. „Es war gut, auf mein Herz zu hören. Das Einhorn und die alte Dame hatten recht. Ich sollte mein Leben in die Hand nehmen. Nur so kann ich erwachsen werden und meine Ängste bekämpfen. Ich sollte auf die Botschaft des Einhorns hören, denn es sagte, dass ich der Schlüssel zu meiner eigenen Freiheit bin. Zudem soll ich nicht vergessen, dass die Melodie der Seele nie verstummt, solange das Herz schlägt.“ 

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