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Nur ein Tanz

von Orchina Fattah.


Kapitel 1: Bühne aus Licht

Veronica liebte das Licht. Nicht das grelle Licht in ihrem Klassenzimmer oder das kalte Straßenlaterne Licht vor ihrer Wohnung. Sondern das bunte Licht auf der Bühne. Mit 16 war sie die beste Tänzerin ihrer Schule. Jedes Mal,wenn sie auftrat,war es als würde sie in einer anderen Welt leben. Eine Welt in der Armut keine Rolle spielte. In der ihr Vater nicht vor acht Jahren einfach gegangen war. In der Lehrer sie nicht fragten ob sie überhaupt das Geld hätte, auf die Abschlussfahrt zu gehen. Tanzen war ihre Flucht. Und ihre Waffe.

Aber es gab noch etwas, das sie nie aussprach: die ständige Angst, dass es nicht genug sein könnte. Dass ihr Traum für ihre Mutter zu teuer wäre. Was, wenn ihre Mutter plötzlich ihren Job verlieren würde? Was, wenn sie sich nicht mehr vor der Welt verstecken konnte hinter dem, was sie am besten konnte? Aber dann fiel der Vorhang. Und alles, was noch zählte, war ihr Tanz.

 

Kapitel 2: Der Knall

Es war ein Dienstag,kurz nach 18 Uhr.Veronica fuhr vom Tanztraining nach Hause,müde aber glücklich. Kopfhörer im Ohr,die Musik im Herzen und der Beat in den Beinen.

Dann: Ein Knall…Ein Hupen…Ein Licht.Und alles wurde schwarz vor ihren Augen.

Als sie wieder zu sich kam,roch sie Desinfektionsmittel. Alles war weiß.

Ein Krankenhaus.

Der Arzt sprach ruhig zu ihr. “Ihre Wirbelsäule…sie ist sehr stark verletzt worden..sie werden nicht mehr laufen können.”

Der Schock kam erst im Nachhinein. Und dann das langsame,quälende Verstehen.

Kein Rennen mehr. Kein Springen mehr.Kein Tanzen. “Du musst realistisch sein.”,sagte ihre Mutter Verena. “Es wird nicht mehr wie früher sein.” “Du bist stark”,sagte ihre beste Freundin und kam dann wochenlang nicht mehr.

Veronica brach zusammen. All ihre Träume waren von heute auf morgen zerplatzt.

Was, wenn aus ihr jetzt nichts mehr wurde?Was, wenn sie alles verloren hat was sie am Leben gehalten hat?

 

Kapitel 3: Der Abgrund 

Die ersten Wochen waren die schlimmsten. Ihre Mutter Verena war überfordert.

Der Rollstuhl störte…es nahm zu viel Platz ein. Sie hörte den ständigen, stillen

Vorwurf in ihrer eigenen Wohnung, der Vorwurf, dass sie nicht genug tat, um zu helfen. Dass sie jetzt eine Last war, statt eine Hoffnung. Sie schrieb mit ein funkeln Hoffnung eine Mail an eine Tanzschule, die sie früher bewunderte. Fragte, ob sie mit Behinderung trainieren könnten. Die Antwort war nett aber ein klares Nein…

“Vielleicht findest du etwas Neues was die Spaß macht? Du warst gut im Schreiben oder nicht? Oder vielleicht doch Psychologie? sagte ihre Mutter Verena.

Sie meinte es zwar gut aber für Veronica fühlte es sich wie tausende Stiche im Herzen an. Nicht einmal ihre eigene Mutter glaubte an sie. Veronica war im tiefsten Punkt ihres Lebens angekommen aber immer wieder sprach die Stimme auf der linken Schulterseite zu ihr. “Was wenn sie recht haben?Was wenn das alles wirklich vorbei ist?”. Veronica fühlte sich schwach und wertlos.

 

Kapitel 4: Trotz allem

Die ersten Monate nach ihrem Unfall gingen in einer grauen Nebelwand an ihr vorbei. Sie zog sich immer mehr zurück und sank immer tiefer. Ihre Mutter arbeitete hart für sie und ihre Schwester. Ihre Freunde?Sie taten ihr Ding. Der Satz “was wäre, wenn ich nie wieder tanzen könnte” ging ihr ohne Pause durch den Kopf.

Doch dann…stieß sie auf etwas. Eine Rollstuhltänzerin auf TikTok performte. Der Clip ging viral und etwas in ihr erwachte. Es war ein Funkeln. Ein Funkeln mit Antwort auf ihre Fragen. "Was, wenn ich das auch kann”? "Was, wenn ich doch noch eine Chance habe?” Sie suchte von den Augenblick an Gruppen, die tanzen für Menschen mit Behinderungen anboten. Stundenlang starrte sie auf das Display.

Doch dann fand sie eine Gruppe in einer benachbarten Stadt. Sie schrieb eine Mail und das “Ja” kam  überraschend schnell. Der erste Tag?...Ihr könnt euch vorstellen wie er war…alles andere als ein Erfolg.

 

Kapitel 5: Der erste Fall

Der erste Tag in der neuen Tanzschule war eine Katastrophe. Die Bewegungen, sie waren so…so fremd und komisch. Veronica fühlte sich in ihrem Rollstuhl noch unbeholfener als zuvor. Alle anderen waren erfahrener… älter. Ihre  Bewegungen, sie waren so kraftvoll. Veronica fühlte sich wie eine Kopie…eine Kopie ihres früheren Selbst. “Ich kann das nicht”, flüsterte sie sich immer wieder, als sie nach Hause fuhr.

Das Gefühl, nicht genug zu sein, überschwemmt sie wie eine Welle. Als sie ein Video von sich aufnahm und es sah, begann sie zu weinen. Sie weinte über ihr Aussehen und wie hässlich sie sich fühlte. Sie sah sich und erkannte was sie nicht mehr konnte. “Ich kann nicht mehr tanzen”, dachte sie.

 

Kapitel 6: Der zweite Fall

Veronica war kurz davor, aufzugeben. Es war der 4te Monat und sie fühlte sich immer schwächer. Der Rollstuhl schränkte sie ein, der Schmerz in ihrem Rücken hielt sie zurück und die Tanzschule war nur ein reminder an alles, was sie nicht mehr konnte. Doch dann passierte etwas, dass sie nie erwartet hätte. Ein Video von ihr, aufgenommen in einer besonders guten Stunde, landete auf einem Tanz Account auf Instagram. Sie hatte keine Ahnung wer das aufgenommen und veröffentlicht hatte,

Doch plötzlich kommentierten, likten und reposteten alle ihre Performance. Doch dann kam der Rückschlag. Einige Kommentare unter dem Clip…

Einige schickten Sticker rein, die ihr ähnlich sahen, aber auf eine gemeine Weise. Andere lachten sie entweder aus oder sagten, sie solle es sein lassen.

Ihre Wunde brannte wieder wie am Anfang. Die ganzen Gedanken und der Zweifel kamen hoch. Zum zweiten Mal in wenigen Wochen brach sie wieder zusammen.

Sie war verzweifelt, sie konnte einfach nicht mehr gewinnen.

Veronica verbrachte Tag damit sich zu verstecken. Der Schmerz war zu groß und der Zweifel?Über den wollen wir nicht reden. Ihre Mutter Verena versuchte sie aufzurichten aber Veronica wusste nicht, ob sie das schafft.

 

Kapitel 7: Trotzdem

Aber eines Morgens, als sie durch den Regen blickte, spürte Veronika einen Funken. Sie wusste, dass sie sich immer wieder selbst verlieren konnte, aber dass sie irgendwann wieder aufstehen würde.

Es war der Moment, als sie sich selbst fragte: „Was, wenn ich jetzt gehe? Was, wenn ich das Ganze wirklich hinter mir lasse?“

Sie hatte alles, was sie sich erträumt hatte, schon fast verloren. Aber an diesem Tag, an diesem Morgen, entschied sie sich, weiterzumachen. Sie schrieb der Tanzschule, dass sie sich wieder an der Bühne versuchen wollte.

Es war das schwerste Training ihres Lebens.

 

Kapitel 8: Der Durchbruch

Der Abend der Projektwoche kam. Veronika war nervös. Die Stimme in ihrem Kopf sagte, dass sie wieder scheitern würde. Dass sie keine Chance hatte. Aber diesmal ignorierte sie sie.

Sie rollte auf die Bühne, die letzten Monate der Arbeit und des Schmerzes in ihren Bewegungen.

Die Musik setzte ein, und Veronika tanzte, aber nicht wie früher. Sie tanzte mit allem, was sie war. Nicht die gute Tänzerin, die sie einst war. Die neue Veronika tanzte mit jedem Wunden Punkt, mit jeder Enttäuschung, mit jedem "Trotzdem".

Und als der letzte Ton verklang, herrschte Stille. Dann Applaus. Lauter, als sie je gehofft hatte.

So ging es für Veronica die nächsten Jahre weiter. Sie war zwar nicht mehr die selbe  Veronica wie vor 4 Jahren aber sie war

 

Kapitel 9: Die Entscheidung fürs Leben

Der Applaus war echt – aber er heilte nichts.Nach dem Auftritt saß Veronika allein in der Umkleide. Die Lichter summten. Ihre Hände zitterten, nicht vor Nervosität,sondern Wut.Nicht auf das Publikum. Nicht auf ihren Körper.Sondern auf das Leben, das sie wieder vor eine Entscheidung stellte.Denn während sie tanzte, war ihre kleine Schwester im Krankenhaus gelandet. Zusammengebrochen. Asthmaanfall, zu spät erkannt. Ihre Mutter hatte sie angerufen, mitten im Auftritt.Aber Veronika hatte das Handy aus.Sie hatte den Applaus gehört …und nicht den Atem ihrer Schwester.Später im Krankenhaus angekommen,sah sie ihre Schwester schlafen. Die Mutter sah sie an, ernst und müde.

„Du hast deinen Moment bekommen“, sagte sie. Kein Vorwurf. Nur ein Satz. Schwer wie Blei.Und dann:„Aber wir haben uns entschieden, zurückzugehen. In unsere alte Heimat. Ich kann hier nicht mehr. Es macht uns kaputt.“Veronika erstarrte.

„Zurück?Nach allem?"„Du kannst bleiben“, sagte die Mutter. „Wenn du willst. Bei einer Gastfamilie. Die Schule würde helfen.“Veronika schwieg.Bleiben bedeutete: frei sein. Tanzen. Kämpfen.Gehen bedeutete: bei ihrer Familie sein.

Beides hieß: etwas verlieren.

In der Nacht schrieb sie in ihr Tagebuch:

„Ich dachte, Stärke heißt, weiterzumachen. Vielleicht heißt es manchmal, Abschied zu nehmen.“

Sie entschied sich…nicht für Sicherheit, nicht für Ruhm.Sondern für sich.

Drei Wochen später, am Flughafen:

Veronika stand mit einem kleinen Koffer. Ihre Mutter und Geschwister waren schon eingecheckt.

Sie blieb zurück.Allein. In einem Land, das nicht ihr Heimatland war.Aber in dem sie sich selbst gefunden hatte.

 

Sie weinte nicht. Sie atmete.

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