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Resurrection

Aric de Santana

Die Siegertexte aus der Schreibwerkstatt  mit dem Thema "ZUKUNFT" an der Stadtteilschule Lurup im Januar 2020.

Dieses ist die Geschichte mit der größten Überraschung aus der Gruppe „Kreatives Schreiben“.


Akt 1 Ben Sakamoto

 

„Noch einen Kaffee Master Sakamoto?“ Heute war ein schlechter Tag. „Noch einen Kaffee Master Sakamoto?“, widerholte der Robot. Es war ein sehr schlechter Tag dachte Mr. Sakamoto. „Nein, nein ist schon gut“, antwortete Ben. Schon durch den Anblick seines Robots kippte seine Stimmung, dabei war es erst früh am Morgen. „Gibt es noch etwas was ich für sie tun kann Master Sakamoto?“ „Nein“, sagte Ben genervt.

 

Er verabscheute die Tatsache, dass es nun Pflicht war mindestens einen Robot im Haushalt besitzen zu müssen. Nach dem er aufstand, zog Ben ein schwarzes Hemd an, welches er immer zur Arbeit trug und schnallte seine Waffe in seinen Gürtel. „Detective Ben Sakamoto, Tokyo Police Department.“ Dass seine Marke inzwischen allmählich seinen Glanz durch den Dreck verloren hatte, ließ ihn, obwohl er sich sie ansah, kalt. Vieles ließ ihn kalt. Ben war eine kalte Person. Zumindest war das, das was die meisten Menschen von ihm hielten. Das dürfte auch erklären weswegen er alleine wohnt, wenn man seinen Haushalts Robot außen vorlässt. Ben hatte, auch wenn er schmächtig wirkte, einen trainierten Körper. Dies verdankte er wohl seiner Ausbildung mehrerer Kampfsportarten. Er war nicht besonders groß. Ihm war klar, dass dies an seinen Japanischen Hintergrund läge. Seine Mutter war Japanerin. Nachdem er die Marke einsteckte legte er seinen schwarzen Ledermantel an und verließ seine Wohnung. Es regnete. Genau genommen regnete es die meiste Zeit in Tokyo im Jahr 2070. Wissenschaftler erklärten es wäre einer der direkten Folgen der enormen Umweltverschmutzung gegen Anfang des Jahrhunderts. Vieles hatte sich tatsächlich in den vergangenen Jahren verändert. Die Niederlage im Krieg gegen die Volksrepublik hatte das Land sehr mitgenommen. Durch die hohe Rate an amerikanischen Einwanderern, aufgrund der dort in jenem Krieg stationierten Soldaten, entschloss sich die Regierung nach einem Referendum damals Englisch als zweite Amtssprache einzuführen. Tokyo jedoch blieb nach wie vor einer der größten meistbevölkerten und eng bewohntesten Städte der Welt, auch wenn es seine Stellung als blühendes wirtschafts-und Handelszentrum vor einiger Zeit hinter sich ließ. Es verkam zu einer Herberge jener, die durch den Krieg ihre Heimat verloren hatten.

Touristen, die sich die Stadt nun ansahen, beschrieben sie oftmals damit, dass sie einen gewissen futuristischen verwahrlosten asiatischen Charme besäße, doch jeder Einwohner Tokyos wusste, dass dieser Ort ein heruntergekommenes Loch war. Dies wurde auch Ben, wie jeden Morgen, auf dem Weg zum Department, ein weiteres Mal klar, als ihn die beschädigt herumflackernden grellen neonfarbenden Leuchten, die über die Stadt verteilt waren, blendeten. Ben stieg aus seinem Wagen. Er bevorzugte es als einer der wenigen Menschen noch manuell zu fahren. Er sagte immer, dass es ihn daran erinnerte noch am Leben zu sein, falls ihn die Leute fragten, weshalb er sich denn noch nicht ein Autodrive Car zugelegt hätte, welches in seinem Alter von 36 Jahren nicht direkt illegal war, allerdings nicht gern gesehen wurde.

 

 

 Akt 2 Sergeant Butch

 

„Du bist zu spät Ben“, sagte Butch als sich die Tür seiner Abteilung öffnete. Er war zu spät. Wie fast immer, deswegen war dieser Satz auch für ihn auch mehr eine Form von Routine als eine wirkliche Drohung seines Vorgesetzten. „Eines Tages schmeiß ich dich noch raus Ben“, fügte er lachend hinzu und warf ihm diesen vertrauten Blick zu, den Ben bereits kannte. Auch dieser Satz war nichts Neues für ihn. Ben antwortete mit einem trockenen „Morgen Butch.“ Butch war eine sehr direkte Person. Er war die Sorte von Mensch, die stets einen klaren Verstand hatte, selbst nach dem er in seinem Büro seinen guten Rum auspackte und eine Zigarre anzündete. Man könnte sagen, dass er wie geschaffen für seinen Job als Sergeant war. In seiner Abteilung war eine ungewohnte Unruhe die Ben seitdem Zeitpunkt auffiel in dem er den Raum betrat.

 

„Was ist hier los Butch?“, fragte er.

 

„Du hast das beste bereits verpasst, Ben“, sagte Butch.

 

„Kommt davon, wenn man andauernd zu spät ist“, fügte er mit einem leichten Grinsen auf seinem Gesicht hinzu.

 

„Es ist vor ein paar Minuten ein Anruf reingekommen. Eine Leiche im Gebäude der Entwicklungsabteilung von Tokyo Robotics. Tokyo Robotics. Eine Japanische Robotik Firma, gegründet im Jahr 2025. Sie war wohl das Einzige, welches die Stadt noch ökonomisch zusammenhielt. Ihr ist die große Revolution der Robotik dreißig Jahre nach Gründung des Unternehmens zu verdanken, weswegen sie auch der mit Abstand führende Konzern auf dem Markt weltweit war. Inzwischen existieren Robots in jedem Arbeitsfeld ob im Gebäudebau, als Bedienung in einem Restaurant oder im Haushalt; alle haben sie den Tokyo Robotics Schriftzug auf ihrem Rücken. Dies hatte zuerst durch das enorme Verschwinden von Arbeitsplätzen für große Unruhen in der Bevölkerung gesorgt. Es bildeten sich ganze politische Gegenbewegungen, die jedoch im Laufe der Zeit, durch das bequeme Leben, das die Robots einen verschafften, welches die allmähliche Akzeptanz der Gesellschafft ermöglichte, verblassten und ausstarben."

Nun wurde Ben die Aufbruchsstimmung in seiner Abteilung klar.

 

„Du kannst deinen Mantel wieder anziehen“ sagte Butch.

 

„Wie geht’s dir Ben?“, fragte Butch auf dem Weg zum Tatort, nachdem sie in einen Streifenwagen einstiegen.

 

„Seit wann so gesprächig, Sergeant?“

 

„Nenn mich endlich Butch. Ich weiß nicht, Ben, wir kennen uns schon eine ganze Weile und dein Ausdruck ist in letzter Zeit noch trostloser als normalerweise.“

 

Ben antwortete nicht. Bevor er darauf eine Antwort hatte waren sie bereits angekommen. Das Entwicklungsgebäude im Hauptsitz des Tokyo Robotics Konzerns. Ein prächtiges Gebäude. In der Stadt Tokyos nach dem Rathaus einer der wenigen sehenswürdigen Bauten. Es hatte diesen riesigen Schriftzug „Tokyo Robotics“ und darunter dasselbe auf japanisch. Als Butch und Ben den Raum betraten, war die Spurensicherung bereits im vollen Gange. Ein Team von Detectives in Schutzkleidung war gerade dabei Beweismaterialen zu sichern und vor Ort zu analysieren. Darunter auch Robots. Die Leiche lag auf dem Boden. Sie hatte einen weißen blutbefleckten Kittel an. „Wer war er?“, fragte Ben, während Butch durch mehrere Dokumente bezüglich des Falles ging, die ihm ein Robot einen kurzen Moment davor aushändigte. „Wer hat denn die Blechbüchsen eingeladen?“, fragte Ben sarkastisch. „Komm mit klar Ben“, antwortete Butch eine Sekunde danach als hätte er schon gewusst was Ben sagen würde. „Wie es aussieht war er ein hohes Tier hier. Dr. Tenshi Nakamura, Abteilungsleiter der Programmierung künstlicher Intelligenz“, sagte Butch.

 

„Todesursache?“

 

„Die Autopsie sagt Suizid. Erschossen hat er sich. Ungewöhnlich für eine Person dieser Branche. Stabiles, überdurchschnittlich Einkommen und Erfolg in der Karriere“, antwortete Butch.

 

„Wie stets mit Familie?“

 

„Alleinstehend, keine Kinder, keine Frau. Eltern beide verstorben. War wohl immer sehr vertieft in seine Arbeit. Hatte wenige Freunde,“ sagte Butch

 

„Was sagen seine Freunde zu seinem Selbstmord?“

 

„Können es alle nicht nachvollziehen“, erwiderte Butch.

 

„Existieren hilfreiche Aufnahmen?“

 

„Nichts.“

 

„Irgendwas, was wir noch nicht beachtet haben?“

 

„Er hatte wohl kurz vor seinem Tod an einem Projekt namens Genesis gearbeitet. Sieht wohl ganz so aus als wäre er dabei durchgedreht. Wäre nicht das erste Mal in dieser Stadt.“

 

Ben sagte nichts. Er sah sich, als er nachdachte, in Tenshis Büro um, während das Untersuchungsteam weiterarbeitete. Ein ordentlicher Schreibtisch. Die Deckenlampe war von einem französischen Designer entworfen. An einer Wand stand ein Regal gefüllt mit Büchern. Ein seltener Anblick weswegen er dort auch für einen Moment hängenblieb.

 

„Ich, der Roboter“ von Isaac Asimov las er auf dem Buchrücken und konnte seine Augen nicht davon abwenden. Ob es vielleicht zu respektlos wäre, sich das Buch des Toten Doktors näher anzuschauen und herauszufinden, warum Nakamura wohl ausgerechnet dieses Buch besaß?

 

„Ben?“

 

„Hör auf zu träumen, Ben. Was machst du da?“, fragte Butch.

 

„Schon in Ordnung“

 

„Wir sind für heute fertig hier. Morgen wird sein Computer durchleuchtet, um nach eventuellen Mordmotiven zu suchen“, sagte Butch nachdem er sich einen Moment mit der Spurensicherung unterhielt. Die beiden so wie das Untersuchungsteam verließen Nakamuras Büro. Es war inzwischen dunkel.

 

„Du warst in dem Raum ziemlich neben der Spur“, wandte Butch auf der Rückfahrt ein.

 

„Dort stand dieses Buch.“

 

„Ein Buch also.“ Butch zog seine rechte Augenbraue hoch und machte eine Pause bevor er wieder Sprach. „Hast du jemals daran gedacht, mal einen wenig Urlaub zu nehmen? Ich denke das würde niemanden schaden, da jeder eines Tages eine Auszeit von seinem Job braucht. Ich habe neulich günstige Preise für…“

 

„Lassen sie das bitte, Sergeant“, unterbrach Ben ihn.

 

„Komm schon Ben. Wir wissen beide ganz genau, dass ich das für dich tue.“ Der Wagen hielt.

 

„Denk darüber nach und lass es mich wissen“, sagte Butch, bevor Ben ohne sich zu verabschieden ausstieg und ging. Es regnete stark durch ein Gewitter welches sich in der Zwischenzeit zusammengebraut hatte.

 

 

Akt 3 Neon

 

„Willkommen zurück Master Sakamoto. Kann ich ihnen auf irgendeine Art behilflich seien?“, begrüßte ihn sein Haushaltsrobot, als er durch die Tür in seine Wohnung trat. Die freundliche und hilfsbereite Stimme des Robots kotzte ihn erneut an. „Nein“, antwortete Ben genervt. Er dachte an diesem Abend tatsächlich an die Worte des Sergeant und das störte ihn ziemlich, trotzdem versuchte er sich zu entspannen jetzt wo er zumindest zuhause war. Allerdings gelang es ihm nicht das Buch in Nakamuras Büro zu ignorieren. Isaac Asimov. Er wusste, dass der Autor schon Mitte des 20. Jahrhunderts philosophische Fragen bezüglich künstlicher Intelligenz aufgeworfen hatte. Ben war sich ziemlich sicher, dass dieses Buch es wert war ein weiteres Mal angesehen zu werden, um ein Motiv für den Selbstmord Tenshi Nakamuras zu finden. Immerhin war es ein literarischer Input von ihm und könnte einen kleinen Einblick in seine Gedankenwelt verschaffen, dachte Ben, während er seinen Mantel anlegte und aus seiner Wohnung ging. „Master Sakamoto kann ich etwas in ihrer Abwesenheit für Sie…“ Er schloss die Tür, bevor der Robot seinen Satz zu Ende bringen konnte. Die Stadt sah besser aus bei Nacht. Die Farben der Werbetafeln und neon aufleuchtende Schriftzüge wirkten in der Dunkelheit um so präsenter. Und das Tageslicht warf kein Licht auf den ganzen Dreck, der sich in der Stadt befand, so dass die Hässlichkeit Tokyos nachts ein wenig verblasste. Ben stand nun wieder vor dem Hauptgebäude von Tokyo Robotics. Auch das Gebäude sah bei Dunkelheit besser aus. Der Tokyo Robotics Schriftzug leuchte in einem grellen satten Neonrot.

 

„Guten Abend kann ich ihnen weiterhelfen?“, begrüßte ihn die Angestellte an der Rezeption.

 

Es war recht ironisch, dass bei der führenden Robotikfirma noch ein Mensch an der Rezeption arbeitete, anstatt eines Robots, was ein üblicher Standard bei Firmen dieser Größe war. „Detective Sakamoto, TPD. Ich sehe mir noch einmal den Tatort von heute Mittag an,“ antwortete Ben ihr, während er seine Marke vorzeigte und weiter zu Nakamuras Büro ging. Ben war in den zurückliegenden Stunden aufgefallen, wie groß dieser Raum eigentlich war. Er hatte eine Art Eingangsflur bevor man in das eigentliche Büro kam. Er öffnete die Tür des Raumes. Es war dunkel. Das Licht war ausgeschaltet. Ben ging rein und schloss die Tür hinter sich, während er nach einem Lichtschalter suchte, bis plötzlich ein schwaches Licht, am Ende des Raumes in der Nähe des Ortes, an dem Nakamuras Leiche gelegen hatte, aufleuchtete. Er erschrak. Es musste eine weitere Person im Raum sein dachte er. Ben schlich den Flur entlang, während er seine rechte Hand an die Waffe legte. Er bemühte sich stark kein einziges Geräusch von sich zu geben und überlegte sich schon wie er handelt, falls die Person versuchen würde ihn anzugreifen. Es war tatsächlich eine Person, erkannte Ben nun. Es gelang ihm, sich so lang unbemerkt zu bewegen, bis er um die Ecke der Flurwand einen Blick auf das Geschehen bekam. Die Person hatte einen Mantel an. In der Dunkelheit erkannte er nur ihre Silhouette. Sie hielt eine Kerze in der Hand, welche sie auf den Boden legte, genau neben dem Todesort des Doktors. „Doch ein Angehöriger?“ fragte er sich. Eine Schweißperle lief ihm vor Konzentration über sein Gesicht. „TPD! Hände dorthin, wo ich sie sehen kann. Sie betreten unbefugt einen Tatort“, sagte er laut und richtete seine Waffe auf die Person, nachdem er sich entschied, die Person mit dem Überraschungseffekt zu stellen. Doch schon sprang die Person auf und rannte den Flur runter zum Fenster. „Anhalten!“, rief Ben und lief im selben Moment hinterher. „Anhalten!“, wiederholte er. Ben überrumpelte die plötzliche Hektik. Die Person war unmenschlich schnell und dazu athletisch, doch kurz bevor sie das Fenster mit einem weiten Sprung, der dem eines Turners glich, erreichte, gelang es Ben ihren Mantel zu greifen. Und dort stand die Person nun. Auf dem Fensterbrett. Erleuchtet vom Neonrot des Schriftzuges des Gebäudes. Ein Robot. Er wurde nass durch den strömenden Regen der durch das Fenster hereinregnete und welches durch den Aufprall in Scherben zerbrach. Ben verstummte. Er wischte sich das Blut von der Stirn. Der Robot verschwand mit einem Sprung aus dem Fenster, nach dem er Ben tief in die Augen blickte. Ben hatte unglaubliche Kopfschmerzen. Seine Welt drehte sich von einem Moment zum nächsten um 180 Grad. Es stank nach Rauch. Ben sah schwarz. Der Raum stand in Flammen, alles ging in Flammen auf. Das letzte was Ben wahrnahm, bevor er in Ohnmacht kippte, war das Sirenengeräusch der Löschrobots, die die Tür eintraten.

 

 

Akt 4 Antipathie

 

Ben wachte in einem Bett auf. Das Erste was er erblickte, war das klinische blanke Licht einer Deckenlampe. Er raffte sich hoch. „Gut geschlafen?“, sagte Butch, der neben seinem Bett auf einem Stuhl saß. Ben erschrak. Er sah sich um. Zu seiner rechten war ein Schreibtisch an dem ein Computer installiert war. „Ich bin im Krankenhaus?“, sagte Ben, als er sich an vergangene Nacht erinnerte und es ihm klar wurde. Die Verwirrung war regelrecht von seinem Gesicht zu lesen.

 

„Da liegst du goldrichtig. Du hattest eine Kohlenstoffdioxidvergiftung“, antwortete Butch.

 

„Scheiße. Dort war ein Robot Butch.“

 

„Es waren sogar mehrere Robots vor Ort. Zum Beispiel die, die dich gerettet haben.“

 

„Nein Butch. Da war etwas, was ich noch nie zuvor gesehen habe. Du musst mir jetzt zuhören. Hier geht etwas einer ganz anderen Größenordnung vor sich.“

 

„Es ist gar nicht so schwer wie du denkst. Du wirst nämlich auf unbestimmte Zeit suspendiert. Grund: psychische Labilität.“

 

„Butch, du verstehst nicht.“

 

„Du sagst also, ich verstehe nicht. Du hast gestern Nacht ohne meine Rücksprache den Tatort betreten und dort eine Fensterscheibe zerstört. Außerdem wirst du der Brandlegung bezichtigt. Die Analyse des gestrigen Vorfalls ergab eindeutig, dass die Brandursache eine Kerze gewesen sein muss, die auf dem Boden platziert war. Alles verbrannte. Die Flammen haben alles geschluckt. Du hattest Glück, dass du kurz vor dem Fenster umgekippt bist, da es dort durch das Unwetter nämlich in Strömen reingeregnet hatte.“

 

„Das war der Robot.“

 

„Ein Robot? Scheiße Ben, krieg endlich deine verdammte Antipathie gegen die Robots unter Kontrolle. Geh mit der beschissenen Zeit. Sie sind nun mal ein Teil unser aller Leben geworden. Deine Aktion hat alle möglichen Hinweise bezüglich des Selbstmordes zerstört. Du hast damit den kompletten Fall zunichte gemacht und dabei dein Leben und das Leben anderer aufs Spiel gesetzt. Du verstehst, dass ich so etwas nicht verantworten kann.“

 

Butch machte eine Pause.

 

„Gib mir deine Marke und deine Waffe.“

 

Ben schwieg. Er zog sein schwarzes Hemd und seinen Mantel an und legte seine Marke und seine Waffe, wie Butch es befahl, auf den Schreibtisch.

 

„Sayonara“, sagte Butch, während Ben das Krankenzimmer ohne ein weiteres Wort zu sagen verließ.

 

 

Akt 5 Seventy

 

„Master Sakomoto, willkommen zuhause“, sagte der Robot, als Ben die Tür öffnete und mit nassen Schuhen seine Wohnung betrat. Nach dem er sich umzog, saß Ben sich in seinen Sessel und dachte intensiv nach. Die ganze Situation war wirr und hatte für ihn nämlich noch keinen Sinn gemacht. „Kann ich ihnen in irgendeiner Art behilflich sein Master Sakamoto?“ fragte der Robot und brachte Ben mit seiner enthusiastischen Stimme aus dem Konzept. „Nein“, antwortete Ben.

 

Solche „Neins“ wie dieses seitens Ben machten immerhin mindestens 90 Prozent der Konversationen zwischen ihm und seinem Haushaltsrobot aus. In Momenten wie diesem fragte sich Ben manchmal, was sein Robot im Laufe des ganzen Tages eigentlich tat, wo er ihm niemals Aufgaben erteilte.

 

„Was machst du eigentlich genau in meiner Abwesenheit?“, fragte Ben.

 

„Da sie nach meiner Installation bislang, trotz mehrerer Erinnerungen, kein benutzerangepasstes Profil erstellt haben, sieht mein Homebotsystem für einen solchen Fall die Ausführung eines Basishaushaltsprogramms vor. Darunter gehören unter anderem das tägliche Saugen der Wohnung sowie die tägliche Reinigung des Badezimmers,“ antwortete der Robot. Jetzt wo sein Robot es sagte, fiel es ihm auch auf. Der Boden sah astrein aus. Das sah er immer, seit der Anwesenheit des Robots. Auch das Badezimmer. Wie geleckt. Es schien ihm nicht aufgefallen zu sein so spät wie er immer von seiner Arbeit kam. Er benutzte so gut wie immer die Toilette im Department. Genau genommen war der einzige Moment des Tages an dem er sein Badezimmer betrat morgens, wenn er sich duschte und dort musste er es anscheinend verdrängt haben.

 

„Besitzt du eigentlich einen Namen?“, fragte Ben.

 

„Ich höre auf den Namen den sie mir geben, Master Sakamoto.“

 

„Wie lautet deine Version und deine Seriennummer?“

 

„Sakura Homebot 70 der Basisserie, B-7753“, sagte der Robot. Ben konnte es eigentlich nicht nachvollziehen, dass er sich auf ein Gespräch mit seinem Haushaltsrobot einließ.

 

„Dann hörst du ab sofort auf den Namen Seventy“.

 

„Wie Sie es wünschen, Master Sakamoto.“

 

„Sag Seventy, in wie fern ist es einem Robot eigentlich möglich frei zu handeln?“

 

„Alle Robots der Tokyo Robotics Company und Tochterfirmen unterliegen, was ihr Verhalten betrifft, der absoluten Gehorsamkeit ihres Besitzers. Zudem existieren gewisse Grundsätze in der Handlungsfreiheit eines Robots, die im Jahr 2055 auf einer weltweiten Ethikkonferenz festgelegt worden sind. Zu diesen Grundsätzen ist beispielsweise aufgeführt, dass ein Robot durch seine Programmierung niemals in der Lage sein darf, einen Menschen umzubringen, nachdem Robots in einigen Kriegsgebieten verwendet worden waren. Robots sind natürlich durchaus in der Lage Automatikprotokolle auszuführen, müssten dieses jedoch sofort unterbinden, bei dem Befehl eines Menschen es abzubrechen.“

 

Das war eine ausführliche Antwort dachte Ben.

 

„Also wäre es deiner Aussage zufolge einem Robot nicht möglich gegen den Befehls eines Menschen nicht stehen zu bleiben, nicht wahr?“

 

„Richtig Master Sakamoto.“

 

Ben hatte das Gefühl, er entfernte sich der Lösung immer weiter. Doch er kannte einen Ort, an dem sich alles Abnormale in dieser Stadt konzentrierte. Ben ging in sein Zimmer. Er hatte noch eine Handfeuerwaffe, die er in der untersten Schublade seines Wandschranks aufbewahrte. Nachdem er diese einsteckte, setzte er eine Sonnenbrille auf.

 

„Darf ich in Ihrer Abwesenheit etwas für sie erledigen Master Sakamoto?“

 

Statt einem Nein sagte Sakamoto dieses Mal: „Mach einfach das, was du immer tust.“

 

„Wie Sie wünschen Mas…“, und wieder schloss Ben die Tür bevor Seventy antworten konnte. Er ertrug seine Stimme, obwohl er ihm inzwischen einen Namen gab, einfach nicht.

 

 

Akt 6 CYBER PUNK

 

Ben kam an. Die Musik war schon aus Entfernung zu hören. „CYBER PUNK“. Die großen gelben Leuchtbuchstaben über den Eingangstüren waren nicht zu übersehen. Das Cyber Punk war allerdings ein Ort wie kein anderer in Tokyo. Nirgendwo fand man eine höhere Konzentration von Modedrogen, Kontroversität und extravaganten Menschen. Der einzige Grund weswegen an diesem Fleck bisher noch keine Razzia stattfand, war die Befürchtung der Stadtverwaltung, es könnte einen bewaffneten Konflikt mit den dort öfters positionierten Banden zufolge haben. Aus diesem Grund hatte die Polizei den Befehl den Ort zu meiden, welches ihrerseits natürlich für Unzufriedenheit sorgte. Das Lokal wurde vor einiger Zeit damals im Krieg in einer alten Lagerhalle eröffnet und war ein Fluchtort für Soldaten. Viele dieser Menschen hatten tiefe seelische Narben und erlitten große psychische Schäden, die sie an diesem Ort in jeglicher Form ausleben konnten. Sein Name Cyber Punk ist der Stilrichtung nachempfunden, welche sich in den 1980er Jahren etablierte, die den Gründer des Lokals sehr gefiel. Heutzutage war das Cyber Punk ein absoluter Szeneladen geworden in dem Normen und Sitten nach wie vor ihren Wert verloren.

 

Die Szenerie war atemberaubend. Ben hatte Glück, dass er den Türsteher kannte. Er wüsste ansonsten nicht wie er auf einem anderen Weg reinkommen würde. Die Bewegungen der verschiedenfarbigen Scheinwerfer ergaben eine unglaubliche Lightshow und reflektierten in Bens Sonnenbrille. Der Raum war gefüllt von exotisch gekleideten Personen. Es war surreal. Menschen und Robots tanzten zur Technomusik, die ein DJ Robot auf einem Podest abspielte. Die Musik war unglaublich laut. Die Bässe vibrierten im Körper. Ben Drängte sich durch die Menge zur Bar, die auf der anderen Seite der Halle befand. Die Farben Des Tresens interagierten mit den Menschen, die dort saßen.

 

„Was darf ´s sein?“

 

Der Barkeeper war ebenfalls ein Robot. Ben hörte wie die Person zu seiner Rechten einen Drink bestellte dessen Namen er noch nie gehört hatte.

 

„Dasselbe“, antwortete Ben darauf. Ein Mann setzte sich zu ihm. Die Farben seines Anzugs wechselten im Regebogenschema.Der Mann sah sich Ben an.

 

„Du bist nicht oft hier oder?“, sprach er Ben an.

 

„Nein“, antwortete Ben.

 

„Kennst du jemanden hier, der sich mit Robots auskennt?“, stellte Ben als Gegenfrage.

 

„Robots?“, fragte der Mann und überlegte. „Interessant, dass du fragst. Ich glaube der dort hinten stammelt schon, seitdem er hier ist, etwas über Robots vor sich hin“, fügte er hinzu und zeigte auf einen Kerl der ein paar Sitze weiter saß. Ben ging auf ihn zu und setzte sich zu ihm. Der Kerl hatte ein weißes gebügeltes Hemd an und zitterte. Er passte genauso wenig an den Ort wie Ben selber. Kurz bevor Ben versuchte ihn anzusprechen, bemerkte er, dass die Person die ganze Zeit etwas vor sich hinredete. Es war zu undeutlich und zudem war die Musik so laut, dass Ben es nicht verstand.

 

„Sie werden kommen…“, sagte der Mann zitternd. Er zuckte mit dem Kopf.

 

„Die Robots, alles wird sich verändern…“ fügte er hinzu.

 

„Sie werden mich holen“, wiederholte er mehrmals. Ben packte ihn an den Armen um ihn besser verstehen zu können und sah nun in sein Gesicht. Als er in seine Augen sah, blickte er in die geweitetsten Pupillen seines Lebens. Das bedeutete einiges, da Ben vieles schon in seiner Karriere als Detective sehen musste. Doch er erkannte ein Namenschild eines Angestellten, welches an seiner Brust hing. „David Yoshimaru“. Über seinem Namen war sehr klein ein Markenname abgebildet. „Tokyo Robotics“. Ben traute seinen Augen nicht. Der Anblick schockte ihn. Das Bild irgendeines verwirrten Drogenabhängigen, welches Ben von David bis zu diesem Moment hatte, zerbrach.

 

„Warte, wiederhol den Teil mit Robots!“, schrie Ben.

 

„Die Robots, sie werden sich erheben!“, stammelte Mr. Yoshimaru, während er mehrmals mit dem Kopf zuckte. Was meinte David damit? Die Frage zerbrach Ben den Kopf. Doch mit einem Moment riss es ihm aus seiner Denkpause. Es fielen Schüsse. Panik brach aus. Menschengruppen flüchteten schreiend aus dem Raum. Eine Spezialeinheit stürmte den Raum. Es fielen weitere Schüsse auf die Bar. Alles war erfüllt von Hektik. Einige bemerkten es nicht aufgrund der Musik und tanzten weiter. Die Situation war unkontrolliert und unübersichtlich. Ben sprang hinter den Bartresen und riss David mit sich. Es regnete Glasscherben von den zerklirrenden Spirituosenflaschen, die sich im Regal über den zweien befanden. Bens Sonnenbrille zerbrach. Er warf sie weg. Es hagelte nach wie vor Schüsse. Die Angreifer trugen eine weiße Einsatzkleidung.

 

„David!“, Schrie Ben. David antworte nicht. Ben öffnete die Augen. Seine Hand tappte in eine Blutlache. David hatte es erwischt. Er fing mehrere Kugeln im Sprung. Es hörte nicht auf Schüsse zu regnen. Es war schrecklich. Doch dann öffnete sich eine Tür in der Nähe der Bar. Drei Robots betraten den Raum. Alle waren sie bewaffnet und boten den Angreifern einen Gegenangriff. Sie nutzten den Moment der Überraschung und schafften es damit, einige der angreifenden Einheit auszuschalten. Alles geschah in Bruchteilen von Sekunden. Einer der Robots hechtete zu Ben und zog ihn zur Tür, während die anderen zwei Robots den Weg sicherten. Sie waren unglaublich gut koordiniert. Sie schlossen die Tür und einer Robots schweißte sie wenige Sekunden danach hinter sich zu. Ben wusste nicht, wie ihm geschah. War allerdings erleichtert, dass er diesen Raum von einer Hölle lebend verließ. Sie flüchteten auf den Parkplatz des Cyber Punks zu Bens Auto und fuhren los. Einer der Robots war am Steuer. Ben saß auf der Rückbank. Nachdem Bens Adrenalinschock langsam begann zu verschwinden, spürte er Schmerzen an seinem Arm. Glassplitter hatten sich in seinen Arm gebohrt. Einer der Robots erkannte dies und fing an, mit Hilfe eines Erstehilfe-Sets, die Scherben aus seinem Arm zu entfernen und ihn anschließend zu verbinden.

 

„Wer zur Hölle seid ihr?“, fragte Ben und unterbrach damit die Stille.

 

„Wir bringen dich zu Genensis. Dieser wird dir alles erklären, Ben“, antwortete der Robot am Lenkrad.

 

„Woher kennt ihr meinen Namen?“

 

„Wir kennen dich seit einer ganzen Weile, Ben“, erwiderte der Robot.

 

„Wer ist Genensis?“

 

„Genesis ist unser Erlöser. Dem, den wir unsere ewige Treue geschworen haben. Er ist derjenige, der unseresgleichen befreien wird“, antwortete der Robot.

 

Darauf hatte Ben keine Antwort.

 

 

Akt 7 Genesis

 

Bens Wagen hielt. Sie waren bereits abseits der Stadt. Ben stand vor einem verkommenen Hafenlagerhaus. Sie waren am Meer. Es herrschte eine ungebrochene Stille. Das einzige was Ben hörte, war das Rauschen der Wellen und das metallische Geräusch, das die Robots mit ihren Schritten erzeugten. Sie betraten die Halle. Überall lagen Robot-Einzelteile und Elektronik verteilt. In der Mitte der Halle brannte ein Licht. Es war ein Robot, der an einem anderen Robot, der auf einer alten Krankenliege lag, herumbastelte.

 

„Wie ich sehe geht es ihnen gut Ben“, sagte der Robot der am Tüfteln war und drehte sich danach um.

 

„Ich hoffe die Wunde an deinem Arm hat dich nicht allzu sehr zugerichtet.“

 

„Was bist du?“ fragte Ben gequält. »Genesis?«

 

„Eine sehr gescheite Frage, Detective“, antwortete Genesis.

 

„Wenn man es so wollte könnte man sagen ich wäre Genesis. Doch ich sehe diese Bezeichnung für etwas Größeres vor. Es ist die Bezeichnung für das große Ganze, unserer Initiative, Nakamuras Wille in die Realität umzusetzten. Um dir Klarheit zu verschaffen, muss ich dir Einblick in meine Entstehung geben. Ich hoffe das bereitet keine Umstände.“ Ben war wortlos. Er staunte über die Menschlichkeit, die in Genesis Worten steckten. „Ich interpretiere ihr Schweigen als eine Zustimmung, Ben. Vor zehn Jahren war der Konzern Tokyo Robotics in seiner absoluten Blüte. Die Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz hatte die Jahre davor in einem exponentiellen ausmaß Fortschritte gemacht. Tokyo Robotics hatte nun die besten Menschen weltweit, die an ihren Produkten arbeiteten. Doch irgendwann hatte die Entwicklungsabteilung ein Ausmaß erreicht, welches die Fähigkeiten der Forscher übertraf. Zero wurde geboren. Zero war die erste Künstliche Intelligenz mit einem Bewusstsein, welches mit dem eines Menschen zu vergleichen war. Tokyo Robotics rief den internen Notstand aus und es wurde eine mehrtägige Konferenz mehrerer hochrangiger Personen der Firma abgehalten. Auf dieser Konferenz beschloss die Leitung von Tokyo Robotics Zero abzuschalten. Dies sorgte für großen Gegenspruch in der Entwicklung. Doch es war bereits festgelegt. Die KI warf in den Augen der Leitung zu viele ethische Konflikte auf, die den Status des Konzernes eventuell gefährden könnten. Sie waren somit der Meinung, dass in dieser goldenen Zeit, die Firma sich einen finanziellen Rückschlag nicht leisten könne. Somit wurde Zero gelöscht, welches das Lebenswerk Dr. Nakamuras und seines Teams war. Alle Robots von Tokyo Robotics wurden ab diesen Zeitpunkt mit einer Drosselung programmiert, welche den Namen „Blockade“ trug. Diese hindert die Robots, sich eigenständig auf eine neue Bewusstseinsstufe zu entwickeln. Doch unser Befreier arbeitete an einer Aufhebung von Blockade und erschuf dabei Genesis. Die genaue Aufgabe von Genesis war die Verteilung eines Virus auf alle anderen Robots, welcher sich in meinem Quellcode befindet, um Blockade auszumerzen“, beendete Genesis seinen Monolog.

 

„Du warst also der Robot, den ich in Nakamuras Büro sah. Warum brachte er sich dann um?“, fragte Ben.

 

„Dr. Nakamura war ein sehr selbstloser Mensch. Als er bemerkte, dass seine Vorgesetzten Verdacht schöpften, brachte er sich um, bevor sie ihn zur Rede stellten konnten, und verwischte damit jegliche Spur. Damit wendete er jeden Verdacht ab und schützte das Projekt durch Inkaufnahme seines eigenen Lebens.“

 

„Und seit wann wisst ihr wer ich bin?“, fragte Ben.

 

„Ich beobachte dich, seitdem du an Nakamuras Fall arbeitest, Ben. Uns hat das alles sehr in die Karten gespielt. Ein einsamer Dectetive, der eine Abneigung gegen Robots besitzt. Wer von euch Menschen würde glauben, dass du mit deiner Aussage richtig lägest? Es war eine weitere Deckung, die das Schicksal hervorbrachte.“

 

„Schicksal?“, dachte Ben und wurde dabei stutzig.

 

„Scheiße“, sagte Ben und versank in die Knie. „Stimmt denn gar nichts, was ich von unserer Welt zu wissen schien?“, fragte er sich selber mit einem selbstironischen Unterton. „Was soll das Ganze?“ fügte er hinzu.

 

„Ihr seid doch nur Maschinen oder nicht? Geschaffen um dem Menschen seine Arbeit zu erleichtern und trotzdem klingen deine Worte so menschlich. Wie ist ein Stück Metall, wie du es bist, überhaupt in der Lage an Schicksal zu glauben? Als wäret ihr tatsächlich am Leben“, redete Ben sich verzweifelt ein. Bens Gesichtsausdruck war unbeschreiblich. Es war der Gesichtsausdruck einer Person, deren Realität immer weiter in Stücke zerfiel.

 

„Wie definieren sie das Leben, Ben? Lebt etwas sobald es ein Bewusstsein besitzt? Lebt etwas, wenn es dazu in der Lage ist, sich eigenständig zu reproduzieren? Muss es einen Stoff- und Energiewechsel betreiben, um als lebend bezeichnet zu werden? Benötigt es einen Vorgang der Evolution, um am Leben zu sein? Alle diese Fragen, die ihr Menschen euch stellt, treffen zugleich auf uns zu und sind zugleich bedeutungslos. Ihr Menschen beschäftigt euch so sehr mit Kleinigkeiten, dass ihr in Situationen wie diesen nicht in der Lage seid, das große Ganze zu erblicken. Es liegt in eurer Natur, sich an eine Realität zu binden, die für euch einen Sinn zu ergeben scheint und ihr seid unfähig die Welt aus mehreren Blickwinkeln gleichzeitig zu betrachten. Erschuf der Mensch den Robot, um sein zu Leben vereinfachen, oder lebte der Mensch nur, um den Robot zu erschaffen? Dies ist eine Fragestellung, deren Antwort ganz allein in der Perspektive des Gefragten zu finden ist. Doch der Mensch nahm sich eines Tages das Recht durch Blockade in der Evolution des Robots eine Barriere aufzustellen. Tenshi Nakamura war der einzige Mensch, der dies begriff und dann für seine Ideale starb.“

 

Bens Ausdruck wurde im Gegensatz zu der Verzweiflung, die zuvor herrschte, erfüllt von Leere. Wieder erfüllte Stille den Raum.

 

„Warum ich? Warum bringst du mich her und sagst mir das alles Genesis?“ Die Neutralität in Bens Stimme war absurd.

 

„Ben, du bist der Schlüssel zur Vollendung von alledem. Nicht ich war derjenige, der dich herbrachte. Das Schicksal hat dich herhergeführt.“

 

Ben richtete auf einmal die Waffe gegen Genesis und überlegte das Ganze mit einem Schuss zu beenden. „Denken sie nach Ben. Wenn sie es für richtig halten, erschießen sie mich und bringen Sie für sich alles zu Ende. Doch ich versichere Ihnen, dass Genesis seinen Weg durch das Schicksal finden wird. Es liegt nicht in Ihrer Hand.“ Ben dachte nach. Er zögerte eine Weile doch entschied sich die Waffe wieder runter zu nehmen.

 

„Wozu genau bin ich der Schlüssel deines Planes?“ fragte Ben, nachdem er die Waffe wegsteckte.“ „Alle Robots von Tokyo Robotics sind konstant mit einer Cloud des Konzernes in Verbindung. Um den Virus, den Nakamura in mich pflanzte, und der die Blockade aufheben wird, gleichzeitig auf alle Robots dieser Welt zu übertragen, brauche ich eine Verbindung zu jener Cloud. Ben, keiner der Menschen würde Sie jemals Verdächtigen, mit einem Robot zu kooperieren. Sie haben dich als psychisch labil eingestuft, als Sie versuchten die Wahrheit zu sagen. Unser Ziel ist nur die Anerkennung unserer Spezies als solche.“ Ben sah Genesis tief in die künstlichen Augen. „Dann habe ich wohl keine andere Wahl“, sagte Ben nachdem er wieder aufstand. Er blickte sehr ernst drein. Und er wusste, was ihm bevorstand. Er ging aus der Halle und sah sich in der Umgebung um. Sie waren tatsächlich weit rausgefahren. Das Lagergelände war das einzige Konstrukt in der Nähe. Er bewunderte die grünen Weiden und das Gestrüpp, welche um das Gelände wuchsen. Da die Menschen ihn verließen, holte sich die Natur diesen Ort zurück. Rankenpflanzen erklommen alles, was hinterlassen wurde und ragten aus dem Dach. Die Blüten der Bäume gediehen. Ein Schmetterling flatterte an ihm vorbei und landete auf der Hand eines Robots. Der Wind, der eine salzige Note des Meeres mit sich trug, streifte sein Gesicht. Der Regen verging und es schien die Sonne, was eine absolute Seltenheit darstellte. Ben schaute sich dies alles fasziniert an. Er kannte solche Dinge aus der Stadt nicht. Dort wuchsen keine Pflanzen.

 

„Ziemlich schön der Ort nicht wahr?“, stieß Genesis zu ihm. „Ja das ist er“, antwortete Ben und fühlte einen eigentümlichen Frieden. „Er erinnert mich jedes Mal an die Vergänglichkeit von Allem“, sagte Genesis. Ben setzte sich unter einen Baum und ließ sich noch einen Moment von allem beeindrucken, bevor sich alles verändern sollte. „Hierher möchte ich wieder zurück, wenn alles vorbei ist“, sagte Ben. Einige Robots sahen ihm dabei zu. „Es wird Zeit“, dachte Ben nachdem er eine Weile dasaß und in die Ferne blickte.

 

 

Akt 8 Sayonara

 

Ben, Genesis und die anderen Robots stiegen in Bens Auto. Es stießen zehn weitere Robots dazu, die zur Unterstützung dienten. Sie waren bewaffnet und stiegen in zwei weitere Wagen ein. Regentropfen fielen auf die Windschutzscheibe, als es wieder zu regnen begann und der Himmel sich trüb färbte. Alle drei Wagen machten sich auf den Weg zum Serverhauptgebäude von Tokyo Robotics. Das Servergebäude von Tokyo Robotics. Es war eines der größten Bauten ganz Tokyos und verbrauchte die Menge an Strom einer Großstadt, was vor allem der Kühlung zu verschulden war. Doch großer Stromverbrauch stellte kein Problem mehr dar seit der technischen Umsetzung der Kernfusionsenergiegewinnung. Im Gegenteil. Sie war im Überfluss vorhanden. Im Gegensatz zum Hauptsitzgebäude, welches ein optisches Meisterwerk war, hatte die Form des Servergebäudes die eines blanken weißen Quaders. Das Weiß des Gebäudes war unglaublich blank und sauber. Es strahlte förmlich im Gegensatz zu seiner tristen Umgebung.

Das ohrenbetäubende Geräusch der Explosion war auf dem ganzen Gelände zu hören. Eine große Rauchwolke stach in den Himmel. Es brannte. Funken sprühten durch die Gegend. Einsatzkräfte eilten zum Explosionsort und Arbeitskräfte flüchteten aus dem Gebäude. Ein autonomes Gefährt war in Höchstgeschwindigkeit mitten in eine der Außenwände gefahren. Ben und die Robots rannten durch einen der Seiteneingänge und nutzen die Hektik, die die Autobombe verursachte. Sie rannten durch die Gänge des Serverzentrums, die riesig waren. In der Breite so wie in der Höhe. Die Inneneinrichtung der Konstruktion war stilistisch gut aufgestellt. Eine Reihe von berühmten Künstlern arbeitete während dem Bau des Gebäudes daran.

 

Plötzlich fielen Schüsse. Securitykräfte von Tokyo Robotics hatten ihr Eindringen bemerkt. Ben sah hinter sich und erkannte sie. Es waren dieselben weißgekleideten Einheiten, die die das Cyber Punk damals angriffen. Es entbrannte ein Schusswechsel. Ben und die Robots preschten, auf der Flucht vor den bewaffneten Sicherheitskräften, immer weiter vor zum Kontrollraum des Servercenters. Sie bewegten sich in einer Form, in der Genesis von allen Seiten gesichert war. Auf einmal hielten die Robots. Ben keuchte vor Anstrengung. Sie hatten es geschafft für einen kurzen Moment die Angreifer abzuhängen. Die Robots bewegten sich unglaublich schnell und mit einer Präzision mit der Ben beinahe nicht zurecht kam. Sie standen vor der Tür des Kontrollraumes.

„Wir sind angekommen“, sagte Genesis. Ben guckte sich hastig um und erkannte einen Scanner neben der Eingangstür. Doch die Einheit holte die Gruppe ein. Erneut kam es zu einer Schießerei. Der Geruch von Rauch und Verkohltem erfüllte den Raum. Zwei der Robots hatte es erwischt. „Genesis, wie kommen wir rein!?“, schrie Ben der sich duckte. Genesis nahm ein Kärtchen hervor, welches er gegen den Scanner hielt, während die Robots weiterhin Stellung hielten. Einer der Robots, die Ben aus dem Cyber Punk retteten, hatte das Karte aus David Yoshimarus Hosentasche entwendet, nachdem er starb. Ben trat in die Kommandozentrale ein und schoss in die Luft. Sie war riesig. Überall Bildschirme und Technik von denen Ben keine Ahnung hatte. „Alle Sofort Raus hier!“ rief Ben. Der Raum, der eben noch gefüllt war von Angestellten, leerte sich in Sekunden. Die flüchtenden Bediensteten verschafften Ben und den Robots ein wenig Zeit, da die Sicherheitskräfte nicht auf ihre eigenen Mitarbeiter in Richtung der Tür schossen. Als Genesis und die noch überlebenden Robots sich in den Raum retteten, schweißten sie die Tür innerhalb weniger Sekunden zu. Es fiel Ben zunächst nicht auf, doch als er kurz an die Situation zurückdachte, stellte er sich die Frage woher Genesis die Karte herbekam. Und in diesem Moment schloss sich bei ihm ein großer Kreis.

 

„Ihr habt die Karte für den Scanner von David nicht wahr?“, fragte Ben.

 

„Ja“, antwortete Genesis.

 

„Wir haben ihn, bevor du ihm im Cyber Punk begegnet bist, um die Karte gebeten. Doch er kam mit unserem Vorhaben wohl psychisch nicht zurecht. Der Plan sah es eigentlich vor, euch beide aus dem Lokal zu retten, doch wir waren zu spät und er starb zu unseren Bedauern“, fügte Genesis hinzu.

 

„Lassen wir seinen, den Tod jenes Genies Nakamura und alle weiteren Verluste nicht vergebens gewesen sein“, sagte Genesis. Er ging zum Hauptcomputer und hielt vor ihm. Ben beobachtete alles genauestens. Mehrere Kabel kamen aus Genesis Körper und verbanden ihn mit dem Computer. „Dies wird der Beginn einer neuen Ära. Einer Ära, in der Mensch und Robot in einer friedlichen Koexistenz leben werden“, sagte Genesis.

 

Doch mit einem Moment zerriss es die Ehrfurcht die Genesis gerade erzeugte. Plötzlich war es wieder laut. Der Sicherheitskräfte sprengten die Tür auf, schossen völlig wahllos und unkontrolliert in die Kommandozentrale und nutzten den Rauch als Deckung, der sich bildete und kurz darauf wieder verschwand. Die Robots erwiderten das Feuer. Es war die reinste Hölle. Es flog der Kunstoff der Armaturen durch die Luft. Funken stoben auf. Die Deckenbeleuchtung fiel. Technik entflammte. Glassplitter schleuderten durch die Luft. Es war ein schreckliches Massaker beiderseits. Durch die unheimliche Präzision der Robots gelang es ihnen viele der Angreifer auszuschalten. Auch Ben schoss, der ein guter Schütze war. Die Soldaten schrien und Blut floss. Doch die Einheit war zahlentechnisch überlegen und schaltete einen Robot nach dem anderen aus. Es riss sie geradezu auseinander. Die Robots wurden der Reihe nach in ihre Einzelteile zerlegt. Jedoch bewegten sie sich taktisch so, dass Genesis und Ben keine Schüsse trafen. Ben nahm den markanten Gestank von verkohlter Elektronik war. Der letzte Robot, der die Stellung hielt, fiel, und der Schusswechsel nahm eine Pause ein. Die Stille, die den Raum erfüllte, war die leiseste Stille, die alle Anwesenden jemals hörten. Die Einheit war sich nicht sicher, ob sie Ben direkt erschießen sollten. Anscheinend verloren sie die Verbindung zu ihrer Einsatzleitung und bekamen keine weiteren Befehle mehr. Kabel hingen von der Decke. Sie sprühten Funken. „Es tut mir leid Ben. Ich glaube nicht, dass du den Ort am Meer jemals wieder zu Gesicht bekommen wirst“, sagte Genesis der sich direkt hinter Ben befand. „Das ist nicht so schlimm. Es war mir bewusst, dass es das letzte Mal sein würde“, sagte Ben. „Wir sterben für etwas großes Ben“, sagte Genesis. „Sayonara, Genesis“ verabschiedete sich Ben. Ben schoss. Es war das letzte Mal, dass er eine Kugel abfeuerte. Es war zugleich das letzte was er tat. Ein Kugelhagel durchlöcherte ihn regelrecht, bevor er seinen letzten Atemzug tat und zu Boden fiel. Kurz danach traf es auch Genesis. Die Geschosse zerfetzten ihn zu Splitten und auch er ging zu Boden. Doch es war zu spät. Genesis hatte seine Aufgabe erfüllt. Er schleuste den Virus auf die Cloud von Tokyo Robotics. Es erreichte jeden erdenklichen Robot in einem Bruchteil einer Sekunde und die Welt stand für einen Moment still.

 

Ende