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Alltag in Corona-Zeiten

Maximilian Großheim

Die glücklichen Gewinner des Schreibwettbewerbs „Leben in der Quarantäne“. 

Jede*r Gewinner*in erhält einen Buchgutschein über 40 Euro.


Wie sich die Pandemie auf unser aller Leben auswirkt Die Lage könnte kaum ernster sein: Schulen geschlossen, ebenso Kitas und Krippen, Hunderttausende im Home-Office, Versammlungsverbote. Doch trotzdem steigt die Zahl der Corona-Infizierten stetig. Nebenbei verändert sich unser Alltag immer mehr: Hamburg. Leere Straßen, außer ein paar einsamen Spaziergängern nichts zu sehen.

Die Stadt scheint leer gefegt zu sein. Lediglich an ein paar Straßenecken an Supermärkten oder Apotheken kann man noch ein bisschen geschäftiges Treiben beobachten, während Polizeistreifen das Versammlungsverbot kontrollieren. Aus Supermärkten sieht man Leute mit prall gefüllten Einkaufswagen herausstürzen, als ob es hier nicht sicher wäre. Fast schon Endzeitstimmung. Wagt man einen Blick hinein, heißt es aber zuerst einmal Warten. Denn es darf nur eine bestimmte Anzahl Personen den Markt betreten, damit die Sicherheitsabstände gewährleistet werden können. Drinnen ein erschreckendes Bild: Nicht nur die Straßen scheinen leer zu sein, auch die Regale, gerade beim Klopapier und anderen Hygieneartikel ist oft gar nichts mehr zu haben. Im Hintergrund immer noch die alt bekannte Musik, der Markt hell erleuchtet, nur die Waren fehlen. Nebenbei steigt einem der frische Duft des Obstes und der würzige Geruch von Käse und Wurst von der Frischetheke in die Nase. Denn immerhin das wird alle paar Tage frisch geliefert und ist ausreichend vorhanden. Endlich wieder draußen angekommen ist zu sehen, wie eine beleibte Dame sichtlich erregt aus dem Markt heraus und geradewegs auf ihren Mann zu stapft: „Du glaubst es nicht, kein einziges Blatt. Schon wieder.“ Und tatsächlich, das ist kein Einzelfall, wie sich noch beweisen sollte. Denn auch alle anderen Märkte in der näheren Umgebung haben leider nur noch ein paar Rollen des heißbegehrten Klopapiers zu bieten. Dieses kuriose Verlangen nach Klopapier findet man nach kurzer Zeit jetzt sogar in Satire-Shows und bei Comedians wieder, die wilde Theorien um den Verbrauch der riesigen Mengen Klopapier spinnen.

Doch nicht nur beim Einkaufen muss man derzeit Einschränkungen machen, auch die sozialen Kontakte sollen weitest gehend auf null gebracht werden: Nicht mehr in Gruppen versammeln und immer Abstand einhalten, ist nicht leicht, muss aber sein, laut dem Robert Koch Instituts. „Gerade die Jungen halten sich nicht dran“, berichtet Sandra J.*, Buchhändlerin, „Ich hatte einen Punkt auf dem Boden aufgeklebt. Dort sollte der nächste Kunde in der Reihe warten.“ Sie deutet auf eine nicht zu übersehende, kreisrunde, Fläche in knallrot auf dem Boden. „Die Jungen müssen erst mehrmals aufgefordert werden, bevor sie es überhaupt in Betracht ziehen den Abstand einzuhalten. Das soll jetzt keine Schuldzuweisung sein, aber auch die müssen sich benehmen.“ Ein paar Häuser weiter zeigt sich das gleiche Bild: Die einzigen, die noch umherziehen, sind Gruppen von Jugendlichen. Doch auch die ältere Generation ist nicht Eins von vielen leeren Regalen in einem örtlichen Supermarkt gerade vorsichtig. Einmal links und dann geradeaus an einer Weinhandlung vorbei, als auf einmal Rufe zu hören sind: Die Weinhändlerin stürmt aus ihrem offensichtlich noch nicht geschlossenen Geschäft: „Was machst du hier? Geh schnell nach Hause!“ „Ich wollte dich doch nur besuchen kommen“, rechtfertigt sich ihre ältere Freundin, die gerade mit dem Rollator bei ihr vorbeischauen wollte. „Nein, Besuchen ist nicht. Jetzt geh schnell!“ Auch an anderen Orten sieht man vermehrt noch alte Menschen spazieren gehen, obwohl die Bedrohung gerade für sie ja ernster ist. Kathrin M., Sekretärin, zeigt Verständnis: „Das ist nicht absichtlich, die sind das einfach gewöhnt.“ Weiter auf der Straße unterwegs fühlt man sich wie ein allseits bekannter Schwerverbrecher: Alle weichen einem aus, wechseln die Straßenseite. Zuhause angekommen, wird es nicht besser: Die Stimmung bedrückt. Den ganzen Tag drinnen tut einfach nicht gut. Doch Rausgehen ist oft keine Option. „Gestern waren wir im Klövensteen spazieren und überall Leute. Fast so voll wie früher in einer Einkaufspassage. Da mussten wir schnell zurück“, so fasst Michael G., Vater von zwei Kindern, den gestrigen Familienausflug zusammen. “Da bleibt halt nur noch der eigene kleine Garten, wenn jetzt sogar Schleswig-Holstein die Grenzen für Ausflügler dicht macht.
Deswegen fang ich jetzt an mit meinem Buch, das ich schon länger geplant hatte“, erzählt der Professor aus Hamburg weiter.
Auch für viele Schüler ist das eine komplett neue Erfahrung. Arbeiten aus dem Homeoffice, so was machen sonst eher die Eltern. Der Schultag startet nun nicht mit dem Schulweg, sondern erstmal mit dem Checken der Emails. Der Arbeitsplatz: kein Klassenraum, sondern der eigene Schreibtisch mit Fensterblick. Nebenbei noch das Frühstück kauend neue Arbeitsaufträge annehmen. Und dann losarbeiten. Viele versuchen gerade jetzt, ihre Alltagsstruktur zu erhalten. Doch das ist schwierig, denn Kinder brauchen halt auch mal Hilfe. Trotzdem läuft der Tag für viele ganz gut. Auf den Computer blickend, den Stift in der Hand, und ab und an auch mal ein Krampf vom vielen Schreiben, der Geruch vom Mittagessen steigt schon aus der Küche hoch. Bald heißt es „Schulschluss“ und dann erstmal an die frische Luft. „Wir achten sehr darauf, dass unsere Kinder sich immer noch viel bewegen“, erzählt Katharina G, „Frische Luft ist wichtig für das Immunsystem.“ Aber ist das denn alles überhaupt zu schaffen? Verzweifeln die Schüler in ihrem stickigen Zimmer mit Nackenschmerzen vom Tippen an den Tonnen von Arbeitsaufträgen oder sind es eher verlängerte Schulferien? „Eher zu viel für mich, ich mach jetzt sogar mehr als sonst.“, erzählt der vierzehnjährige Gymnasiast Robin P., der nun täglich daheim arbeitet. In dieser zurzeit sehr angespannten Situation lassen sich die Menschen jedoch nicht unterkriegen. Nein, im Gegenteil sind immer mehr kreative Ideen zu bemerken, in allen Lebensbereichen: Sei es im sozialen, im Handel oder der Kommunikation. Der Radiosender RSH berichtet täglich über solche Menschen, die der Allgemeinheit mit ihren Ideen weiterhelfen wollen, wie zum Beispiel eine schleswig-holsteinische Druckerei, die den Eltern gerne einen Gefallen tun möchte und deshalb nun Malbücher druckt und sie gratis verteilt. Auch die Kirche, welche gerade bei Veranstaltungen und der Nähe zu ihren Gemeindemitgliedern eingeschränkt ist, lässt sich etwas Neues einfallen: Ab jetzt gibt es online einmal pro Woche einen Gottesdienst, jeden Tag ein Wort Gottes und neue Kirchenmusik. Im Handel finden sich nun statt offenen, einladenden Läden oft eher düstere verlassene Geschäftsräume. Doch hinter mancher Glasfassade wird weiterhin Ein Kirchenflyer mit einer aufmunternden Botschaft: Gemeinsam durch diese Zeit fleißig gekocht, in die Regale sortiert oder frische Ware ausgepackt. Dort hat man sich dann mit Lieferservices oder anderen kreativen Ideen beholfen, um nicht bankrott zu gehen und gleichzeitig ihren Kunden zu helfen.
Der Alltag ist also längst nicht mehr der, wie wir ihn kennen, doch alle miteinander schlagen sich gut. Und neben den zahlreichen Schattenseiten, die unseren Alltag in Teilen zu bestimmen scheinen, hat eine solche Krise auch positive Seiten: Sie lässt uns stärker zusammenwachsen, nicht nur in der Familie. Allen wird mehr und mehr bewusst, wir sitzen im selben Boot und so wächst auch die Solidarität in unserer Gesellschaft. Auch wenn führende Virologen, wie Prof. Drosten von der der Berliner Charité oder Gesundheitsminister Spahn, uns noch am Anfang dieser Pandemie sehen, kann sie nicht ewig andauern und irgendwann wird auch unser Alltag wieder derselbe. Hoffentlich!
– Maximilian Großheim