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Das zweite Ich

CCConrad (Künstlername)

Die glücklichen Gewinner des Schreibwettbewerbs „Leben in der Quarantäne“. 

Jede*r Gewinner*in erhält einen Buchgutschein über 40 Euro.


Die Digitalanzeige meiner Uhr zeigt in großen roten Zahlen 3 Uhr an. Ich schüttle meine Köpf und reibe meine rot unterlaufenden Augen. Fast fertig. Ein kleiner Anflug von Euphorie machte sich in mir breit, ich schrieb noch die letzten paar Sätze meiner Philosophie Hausaufgaben und schickte sie ab. Meine Beine schmerzten vom vielen Sitzen. Ich schaltete meinen Computer aus und stand auf. Keine gute Idee. Sofort begannen meine Beine noch doller zu schmerzen, ich konnte kaum stehen und musste mich irgendwo fest hallten. Eine Minute verstrich bis ich wieder normal stehen konnte. Kraftlos taperte ich ins Badezimmer, aus dem Spiegel schaut mir ein Zombie entgegen. Gott siehst du mal wieder scheiße aus, das ist ja wirklich nicht zu glauben. Meine Augen waren rot unterlaufen, sie waren mehr rot als weiß, und von tiefen Augenringen gezeichnet. Du solltest mal früher ins Bett gehen, das könnte helfen und tut dir gut, vor null Uhr bekommt man den besten und erholsamsten Schlaf, ahmte ich die Stimme meiner Mutter im Kopf nach. Nun sie hat recht, du musst wirklich mal früher ins Bett gehen und mal wieder vernünftig schlafen, das tut dir sicher gut. Mein zweites Ich meldete sich mal wieder. Ich war immer ein merkwürdiger Mensch, aber eine zweite Persönlichkeit hatte ich erst seit Kurzem, sie half mir mit meiner Einsamkeit klarzukommen. Seit ein paar Tagen war das ganze Land unter Quarantäne, man durfte nur noch raus, wenn man etwas einkaufen musste oder der Hund ein Geschäft erledigen wollte, ansonsten bekam man eine Strafe auferlegt. Mit anderen Worten bedeutete das für alle Arbeitenden Homeoffice und für uns Schüler Homeschooling. Ich würde ja früher ins Bett gehen, wenn diese Lehrer nicht so übertreiben würden, meckerte ich mich selber an. Ich werde ja jetzt ins Bett gehen. Ein leiser Glockenschlag drang an mein Ohr. Hörst du das? Es ist schon 3.30 Uhr. Dann wird es langsam mal Zeit. Ich erwiderte nichts, putzte meine Zähne, wusch [?] mich und gehe ins Bett.

 

„Pip….Pip…PIP…PIP…PPPPPPPIIIIIIIIIPPPPPPP!!!!!!!!!!“ Ich schalte meinen Wecker aus, hebe meinen Kopf ein wenig um auf die Uhr zu schauen, 8 Uhr, Ich lasse meinen Kopf wieder ins Kissen sinken. Aufstehen!! Du musst Aufstehen, es ist morgen früh und du hast noch einen ganzen unspaßigen Tag voller Schulaufgaben vor dir. Sie dröhnt wieder in meinem Kopf. Bitte sei einfach leise und lass mich noch etwas schlafen, bitte wenigstens noch eine halbe Stunde. Ich hoffe, dass es sie, mich ruhigstellen würde aber weit gefehlt! Jetzt fängt sie erst richtig an. Aufstehen! Aufstehen! Aufstehen! Mindesten fünf Minuten geht das so bis sie irgendwann Gnade zeigt und sagt. Gut ein wenig Zeit hast du vielleicht noch für ein kurzes Nickerchen. Sie verstummt. Als ich meine Augen wieder öffne, war es bereits 10 Uhr. Das war wohl nichts mit deiner halben Stunde. Aber ich dachte, ich lass dich mal schlafen. Nun, bin ich nicht nett? Ich weiß, aber jetzt RAUS AUS DEN FEDERN. Ich habe kaum die Augen aufgemacht, als sie wieder loslegt. Ja, ich bin dir ja dankbar, aber jetzt shut up, ich weiß, also lass mich einfach in Ruhe. Ich lasse immer wieder meinen Kopf auf das Kissen fallen in der Hoffnung sie loszuwerden. Du weißt, dass du mich so nicht loswirst, also Aufstehen, Aufstehen, Aufstehen, AUFSTEHEN. Ihre Stimme scheppert in meinem Kopf. „GOTT, JUST SHUT UP!!!“ ich schreie so laut ich kann und springe aus dem Bett. Du musst arbeiten, Hausaufgaben machen. Sie war [kannst du so lassen] nicht still zu kriegen. Meine Sicht wird schwächer, verschwimmt. Ihre Stimme überschlägt sich in meinem Kopf, wird lauter, zwingt mich in die Knie. Ich schlage mir gegen den Kopf. Hausaufgaben, Arbeiten. Sie will nicht gehen, ihre Stimme wird nur noch lauter. Ich krieche zur Zimmertür, es dreht sich alles, mühevoll öffne ich sie. Stolpere durch die Tür gegen die Wand des Flures. Verschwommen sehe ich die Hausschuhe meiner Mutter und meines Bruders an der Garderobe stehen. Sie sind nicht da, sind nicht dar, sie sind nicht da, sind nicht. Sie überschlägt sich in meinem Kopf, ich greife mir an den Kopf, taste mich langsam vor, bis in die Küche, reiße den Kühlschrank auf, schlage in wieder zu. Einfach nur leer, nichts da, mal wieder nichts da. Auf dem Küchentisch liegt ein kleiner handgeschriebener Zettel:

 

Guten Morgen meine Kleine,

machst du bitte den Ofen aus, sobald du wach bist? Den Auflauf daraus kannst du gerne essen, aber lass doch noch etwas für deinen Bruder übrig.

Kuss Mama

 

Ich lasse den Zettel fallen, öffne die Ofenklappe und schwarz...

 

17 Jähriges Mädchen starb in einem Feuer, die Rettungskräfte konnten nur noch ihre verkohlte Leiche bergen.

 

The End