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Coronastern

Luis Urban

Die glücklichen Gewinner des Schreibwettbewerbs „Leben in der Quarantäne“. 

Jede*r Gewinner*in erhält einen Buchgutschein über 40 Euro.


Kurtz vor dem kalendarischen Frühlingsanfang, schaltete ich wie gewöhnlich um drei Uhr am Nachmittag, mein kleines Taschenradio an und hörte die Nachrichten. Gerade wurde verkündet, dass es in den nächsten Tagen schneien würde. „Und jetzt zu unseren Nachrichten“, verkündete die, wie immer gespielt fröhliche Stimme der Nachrichtensprecherin. „Da sich die Lage mit dem neuartigen Corona Virus immer mehr verschärft, hat unser Bürgermeister zu unserem Wohle, ab morgen eine Ausgangssperre bis mindestens Anfang Mai angeordnet“. Ich stöhnte. Fast zwei Monate müsste ich zu Hause bleiben. Nicht, dass ich mich über diese zusätzlichen Ferien nicht freute. Es war nur so, dass das sehr viel Arbeit bedeutete, weil meinem Vater die Zoohandlung gehörte. Und dort gab es nicht nur, wie in jeder gewöhnlichen Zoohandlung ein paar Fiche, einen Käfig mit Vögeln, etwa 15 Nager und eine Hand voll Reptilien. Mein Vater war ein ausgesprochener Tierliebhaber und als vor drei Jahren ein Zoo in unserer Nähe geschlossen hatte, hatte mein Vater die Tiere, die der Zoo nicht losgeworden war, bei uns untergebracht. Und das war nicht nur der süße Gibbon oder der kluge Graupapagei, der mir immer bei den Hausaufgaben half. Da war nämlich auch der dicke Elefant, der seit 1990 Durchfall hatte und der Tiger, der immer seine schrecklich schlechten Witze erzählte. Ach, fast hätte ich es vergessen. Alle unsere Tiere konnten dank unserem Graupapagei sprechen und der hatte es schon immer gekonnt.

 

Schlecht gelaunt, wegen der auf mich zukommender Arbeit, schaltete ich das Radio aus und ging nach draußen, zu unserem Pool, in dem der Delphin Henry wohnte. Er hieß so, weil er mich an meinen Opa erinnerte, der vor vier Jahren, zusammen mit meiner Mutter, an einem Autounfall gestorben war.

 

Es dauerte nur zehn Sekunden, da kam er auch schon direkt vor mir aufgetaucht. Ich setzte mich auf seinen Rücken und ließ, während er langsam durchs Wasser schwamm, meine Füße durch den beheizten Pool gleiten.

 

In den nächsten Tagen fing es an zu schneien, was hier in Norwegen, im Frühling normal ist. Nicht normal ist aber, dass es bei uns im Frühling Tage lang schneit, aber das tat es. Innerhalb von zwei Tagen waren wir total eingeschneit. Die Leute, die uns netterweise Essen vorbeibrachten, brauchten ungefähr anderthalb Stunden, bis sie sich zum Fenster durchgegraben hatten. Doch am nächsten Tag war das Loch zum Fenster wieder zugeschneit und die Arbeit musste wiederholt werden.

 

So vergingen die Tage und schon stand Ostern vor der Tür. Ich wachte um drei Uhr morgens, am Ostersonntag auf, weil ich ein Rascheln im Wohnzimmer gehört hatte und ging verschlafen nachsehen, was mich da geweckt hatte. Ich knipste das Licht an und ließ meinen Blick über unsere Couch, den Wohnzimmertisch, das Regal und schließlich auch über den Kamin schweifen. Und was ich da sah, ließ mich den Mund offen stehen. Auf dem Boden des Kamins lag ein kleines Häschen. Entschuldigung, es war nicht irgendein Häschen. Es war der Osterhase. Ich wollte gerade auf ihn zu gehen, um mich um ihn zu kümmern (um vielleicht ein paar Osterhasenschleimpunkte und somit auch vielleicht ein paar Ostereier mehr zu kriegen), da setzte er sich erschrocken und erschöpft auf und krächztest: „Auf garkeinen Fall näher kommen, ich habe mich angesteckt!“. „Häh?“, fragte ich „Wie denn das. Ostern ist doch erst seit ein paar Stunden. Woher willst du denn das wissen?“. „Ach“, sagte der Osterhase leise „Erstens, hinter der Datumsgrenze, ist in ein mehreren Ländern schon Mittag und zweitens bin ich kein Mensch. Ich weiß, wann ich krank bin und was ich habe.“ „Und was machst du ausgerechnet hier?“, fragte ich. „Mir ging es so schlecht und alle Arztpraksen sind eingeschneit und dann habe ich das Loch, das euer Schornstein in die Schneedecke geschmolzen hat, mit einem Hasen Bau verwechselt und dachte, das der Hase mich vielleicht für ein bis zwei Ostereier, bei ihm für eine kurze Zeit beherbergen könnte“. „Aber was ist denn mit den ganzen Ostereiern, die verteilt werden müssen“? , fragte Ich. „Tja, da müssen wohl sehr viele verzichten“, meinte der Osterhase „Es sei denn – Nein, das kann ich nicht von dir erwarten“. „Es sei denn was?“, fragte ich neugierig. „Es sei denn, du könntest die Ostereier mit deinen Tieren verteilen“, beendete der Osterhase seine Idee. „Das würde ich ja gerne, aber wie sollen wir an so viele Orte gelangen und dass nur in wenigen Stunden?“, fragte Ich. „Und dazu kommen wir hier gar nicht raus und selbst wenn, müssten wir auch noch ziemlich doll aufpassen, dass wir uns nicht anstecken“. „Das mit dem, an verschiedene Orte zu kommen zu kommen, ist ganz einfach. Ihr könnt euch mit dem hier“, Er reichte mir mit einem großen Abstand ein goldenes Osterei. „An jeden Ort der Welt zaubern. Ihr müsst einfach in jeden Garten ein Osterei legen, dann vermehrt es sich und sie verteilen sich selbst. Wenn du wieder hier bist, wird keine Zeit vergangen sein. Was die Krankheit betrifft, kann ich dir nichts versprechen.“ Ich trommelte die Tiere in unserer Zoohandlung zusammen und gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Wundere dich also nicht, wenn du neben ein paar Ostereiern zufällig eine große Pfütze Elefantenkacke findest.

 

Luis Urban