Fiona Zillich
Prolog
Die Dunkelheit lag über Tokio, der mittlerweile größten Stadt der Welt.
Eine schattenhafte Gestalt schlich durch die verdreckten Straßen. Sie schlich sich in ein großes Gebäude, kletterte vorsichtig durch ein Fenster hinein in das größte Büro des Hauses. Die Gestalt durchsuchte aufmerksam alle Schubladen des Schreibtisches und fand schnell was sie begehrte: einen kleinen braunen Lederbeutel in dem viele goldene Münzen funkelten. Die Gestalt grinste leicht beim Anblick der Münzen.~Endlich habe ich sie~ dachte die Gestalt. Schlagartig erinnerte sich die Gestalt, dass sie nun schnell von hier fliehen musste, denn sie hatte Verfolger am Hals. Schnell schlich sich die Gestalt nun aus dem Büro, sie rannte durch einige Flure und Räume und so bemerkte sie nicht, wie sie durch eine Laserschranke lief, doch wurde es ihr schnell bewusst durch den schrillen Alarm der nun durch das ganze Gebäude hallte. Die Gestalt wollte nun so schnell wie möglich von hier verschwinden und rannte schneller. Plötzlich hörte die Gestalt Schritte hinter sich und dachte ~Shit Ich dachte sie würden länger brauchen~.
Die Figur war nun beim Ausgang angekommen und sprintet hinaus und um die nächstgelegene Ecke um ihren Verfolgern zu entkommen. Die Verfolger näherten sich immer mehr, als sie ihre vermeintliche Rettung sah: eine Feuerleiter. Sie erklomm schnell die ersten Sprossen der Leiter. Doch plötzlich hörte sie einen Schuss und fühlte einen scharfen Schmerz im Bein. Ein erstickter Schrei entwich der nun am Boden liegenden Gestalt. Das warme rote Blut floss ungehindert aus der Wunde am Bein. Die Verfolger kamen näher und näher, bis sie direkt vor ihr standen, und sie sah, dass sie alle rote Fuchsmasken trugen. Die Verfolger nahmen ihr wortlos den Beutel ab und verschwanden im Dunkel der Nacht.
Kapitel 1
Schwer schleppte sich die Gestalt nach Hause, still fluchend. So wurde sie von ihrer Großmutter empfangen.
„Großer Gott, Reiko, was ist denn dir passiert?!“, kreischte ihre Großmutter erschrocken als sie die flüchtig versorgte Wunde am Bein ihrer Enkelin sah.
„Nichts schlimmes Outoosan, nur eine kleine Auseinandersetzung mit den Roten Fuchsmasken“.
„Reiko, du musst aufhören, dich immer mit denen anzulegen!“, rief ihre Großmutter aufgebracht. Reiko hatte dies nun schon einige Mal erlebt, aber das war eben ihre Arbeit, was sollte sie auch sonst tun? Die Krieger würde ihr niemals eine andere Aufgabe zuteilen, immerhin war sie die Fähigste aus der Oni-Abteilung, benannt nach den Geistern der japanischen Mythologie. Eigentlich sollte ihre Großmutter das verstehen, immerhin war sie selbst einmal Teil der Fuchsmasken gewesen. Doch hielt sich ihr Verständnis hier in Grenzen, wer konnte es ihr verübeln, es ging hier immerhin um das letzte lebende Mitglied ihres Clans. Früher war der Haori Clan einer der mächtigsten Clans in Japan gewesen, doch heutzutage waren kaum noch eine Handvoll von ihnen am Leben.
„Ich werde nicht zulassen, dass sie dich auch noch bekommen.“
Durch diesen Satz wurde Reiko wieder in die Realität zurückgeholt.
Sofort fluteten ihr die Erinnerungen an ihre Eltern und Geschwister in den Kopf, ihr liefen Tränen aus den Augen, als sie wieder die fröhliche Stimme ihres großen Bruders hörte, wie er rief: “Rei-chan, pass gut auf Outoosan auf, während ich weg bin ok?“
„JA, Niisan, du kannst auf mich zählen“, hatte sie damals geantwortet, unfähig zu verstehen, dass er vielleicht niemals zurückkehren würde.
Kapitel 2
Einige Monate später hatte Reiko sich wieder erholt und ging auch wieder auf Missionen für die Fuchsmasken.
Eines Abends sollte sie einige alte buddhistische Schriften aus einem Kloster abholen. Dort traf sie auf einige Mönche, die ihr einige Weisheiten mitgeben wollten. Tamai-san ein älterer Mann mit vielen Falten und einem langen weißen Bart, bat sie also mit den Mönchen zu essen. Er sprach langsam und gebildet, diese Art zu sprechen fiel Reiko sofort auf, es erinnerte sie an ihren Großvater. Sie willigte ein und wurde sogleich von den Mönchen in den Speisesaal geführt. Es war ein klassisch eingerichtetes Zimmer im japanischen Stil. Tamai-san ließ verschiedene Gerichte in kleinen Schalen an den Tisch bringen, gedämpftes Gemüse, Reis, verschiedene Teigtaschen und Suppen. Er goss Raiko Tee ein und sprach: „Sei willkommen im Kloster der drei Drachen. Reiko, ich nehme an, dass du nicht weißt, warum du von mir eingeladen wurdest?“
Reiko nickte leicht verwundert.
„Nun gut dann werde ich es dir erklären“, sagte er und ließ Weihrauch an den Tisch bringen. Sofort, als es auf dem Tisch stand, begannen sich Formen zu bilden und es bildeten sich mehrere Drachen, Bäume und einen Berg. Die Drachen flogen durch die Luft auf den Berg zu und landeten elegant auf ihm, direkt neben einer Quelle, aus der das Wasser nur so sprudelte.
Vom Rücken eines Drachen stieg eine menschliche Figur, sie ging zur Quelle. Die Figur kniete sich vor der Quelle hin und faltete ihre Hände, als ob sie beten würde. Plötzlich stiegen weitere Figuren aus der Quelle heraus und die Figur vor der Quelle umarmte sie. Die Drachen nahmen sie auf den Rücken und sie flogen davon. Der Rauch verdünnte sich rapide, und Reiko sah wieder das Gesicht von Tamai-san. Sie hatte während der Vision angefangen zu weinen und dachte nun darüber nach, ob das, was bei dieser Figur funktioniert hatte, auch bei ihr funktionieren würde.
„Also, Reiko, was denkst du nun?“, fragte Tamai-san, obwohl es eher wie eine Aussage klang. Reiko antwortete: „Tamai-san, ich denke ich werde zu dieser Quelle gehen und meine Familie zurückholen.“ Tamai-san nickte nur und brachte sie ohne weitere Worte in den Keller des Klosters, wo sie ihre Schriften lagerten. Er gab ihr die Dokumente, die sie abholen sollte, und eine versiegelte Schriftrolle mit Drachen darauf mit. Reiko bedankte sich und machte sich schnell auf den Weg, um die Dokumente abzuliefern.
Kapitel 3
Inzwischen hatte sich Reiko schon beim Hauptquartier gemeldet und die Dokumente abgeliefert. Sie sprach gerade mit ihrer vorgesetzten Yamada-san und verbeugte sich vor ihr: “Yamada-san, ich weiss, ich kam erst von einer Auszeit, aber ich habe gerade die Karte zu etwas gefunden, das für mich von unschätzbarem Wert ist. Ich muss losziehen, um es zu finden.“ Yamada-san sah auf und nicke. „Du hast zehn Tage, dann musst du wieder zum Dienst antreten.“
„Vielen Dank, Yamada-san!“, rief sie aufgeregt und machte sich auf um ihre Sachen zu packen. Nachdem Reiko ihre Sachen gepackt hatte, öffnete sie die Schriftrolle, um zu sehen, wo sie hin musste. Dort war geschrieben, wie sie vom Fuß des Fuji zur Quelle kam. Also machte sie sich auf nach Südwesten zum Fujisan, wo sie ihre Familie zurückbringen würde.
Reika war auf einem Trampelpfad unterwegs, als sie plötzlich Geschrei wahrnahm. Sie rannte in die Richtung aus der die Schreie gekommen waren. Dort sah sie einige Jäger, die etwas in einem Käfig gefangen hielten: es war ein Mensch mit Fuchsschwänzen und Ohren. Reiko hatte schon oft Geschichten über solche Wesen gehört, sie wurden auch Kitsune genannt.
Der Kitsune schrie noch einmal: „Lasst mich hier raus, ihr widerlichen Menschen! Wisst ihr überhaupt, wer ich bin!?“
Reika schaute verdutzt, als sich der Kitsune in einen Fuchs mit drei Schwänzen verwandelte, und ein lautes Quietschen durch den Wald hallte. Einer der Jäger schrie den Kitsune an: „Halt doch mal dein verdammtes Maul, du Scheissviech, wir machen doch auch nur unsere Arbeit.“
Reika reagierte sofort und schrie die Jäger an: „Hey! Ihr da! Was macht ihr da mit diesem Fuchs?“
„Das geht dich gar nichts an, kleines Mädchen, und jetzt verschwinde!“
Von hier zu verschwinden, kam ihr überhaupt nicht in den Sinn. Doch musste sie, um ihren Plan durchführen zu können, bis zur Dunkelheit warten.
Kapitel 4
Es war dunkel geworden über dem Wald in dem Reiko sich nun schon seit einigen Stunden versteckt hielt. Die Wilderer hatten den Kitsune inzwischen in eine große Holzkiste mit Löchern gesperrt und sich ans Lagerfeuer gelegt, das sie entzündet hatten. Reiko hatte vor, den Kitsune zu befreien, und sobald alle Wilderer schliefen, würde sie das auch tun. Nun schnarchte auch der Letzte von ihnen friedlich vor sich hin, und Reiko schlich sich langsam an die Kiste heran. Dort angekommen, versuchte sie die Kiste so leise wie möglich aufzubrechen. Doch ohne Hilfsmittel wollte es ihr nicht so ganz gelingen.
Sie schnappte sich eine beim Feuer liegende Flinte und brach die Kiste auf. Der Kitsune, in seiner Fuchsform, sprang ihr direkt in die Arme.
Einer der Wilderer wachte auf und schrie: „Alarm!“
Reiko schnappte sich die Flinte und den Kitsune und rannte in den Wald.
Die Wilderer verfolgten sie, doch sie sprang auf einen Baum, wo sie sich versteckt hielt, bis die Wilderer abgezogen waren. Die Sonne ging gerade auf, als der Kitsune in seine Menschenform wechselte und Reika neugierig anblickte. Nun konnte Reika das Geschöpf besser erkennen.
Er war in Wahrheit eine sie – ein Mädchen, das aussah, als wäre sie ungefähr Neunzehn. Sie trug einen roten Kimono und eine Kette an der ein Kristall hing. Das Gesicht der Kitsune wurde rot, als Reika sie eine Weile ansah. Sie stotterte leicht „A-arigatou!“ und verbeugt sich. Reika lächelte verlegen. „Ach, das hab ich doch gerne gemacht. Übrigens, mein Name ist Reika.“
Die Kitsune wurde noch verlegener. „Ich bin Yuuyu.“
Ein weiteres Lächeln schlich sich auf Reikas Gesicht und sie sagte „Hajimemashite Yuuyu-chan! Es freut mich auch dich kennenzulernen Reika-sama“.
„Ehhhhh?! Reika-Sama?“, lachte Reika verlegen, denn mit dieser Endung wurde ihr höchste Wertschätzung entgegengebracht.
Kapitel 5
Nach einigen kleinen Erklärungen und weiteren Danksagungen erklärte sich Yuuyu-chan bereit, Reika zum Fujisan zu bringen. Die beiden Mädchen machten sich weiter auf den Weg nach Südwest, und bald verließen sie den Wald, in dem sie sich begegnet waren. Nach ungefähr einem Tagesmarsch kamen sie an einen reißenden Fluss, der nicht so leicht zu überwinden schien. Yuuyu wechselte in ihre Fuchsform und sprang leichtfüßig über einige Steine, die aus dem Wasser ragten. Von der anderen Seite aus rief Yuuyu: „Keine Sorge! Das ist ganz leicht!“
Reika vertraute ganz auf die Worte ihrer neugewonnen Freundin und versuchte hinüber zu springen. Was sie größtenteils auch schaffte, doch beim letzten Stein, kurz vor dem Ufer, fiel sie ins Wasser. Das Wasser war kalt aber nicht tief. Reika wurde schnell von ihrer fuchsartigen Begleiterin herausgefischt. „Danke“, sagte sie und lächelte verlegen.
Yuuyu lächelte warm zurück und zog sie weiter. Die Nacht brach langsam heran, doch Reika bekam durch den Sturz ins Wasser ein
hohes Fieber und musste von Yuuyu gepflegt werden, die ihr ein nasses Tuch auf die Stirn legte und sie in eine warme Decke hüllte. Sie zündete auch ein Lagerfeuer für sie an. Am nächsten Morgen wachte die leicht benomme Kriegerin auf und sah die an sie gelehnte Kitsune. Sanft legte Reika die Decke um Yuuyu, und stand auf um weiteres Feuerholz zu sammeln. Yuuyu wachte durch den Geruch von etwas Unbekanntem auf, es roch gut. Sie öffnete ihre Augen und sah Reika kochend mit dem Rücken zu ihr.
Kapitel 6
Die beiden Mädchen waren nun schon am Fuße des Fujisan angekommen und bereit ihn zu erklimmen. Sie stiegen Höhenmeter um Höhenmeter hinauf, bis sie in einer kleinen Höhle ankamen, zu der die Karte sie geführt hatte. Die beiden schlichen tief in die Höhle hinein, als Yuuyu plötzlich auf etwas Weiches trat, und ein Brüllen durch die Höhle hallte. Sie erschraken, als sich ein gewaltiger Drache erhob und sie leicht empört ansah. „Wer seid ihr und was tut ihr in meiner Höhle?“, donnerte die Stimme des alten Drachen von den Felswänden.
„Wir sind Reika und Yuuyu und wir sind hier, um die Quelle der Wiederbelebung zu finden“, sagte Reika so selbstbewusst wie sie konnte. Der Drache sah sie verwundert an und lachte. „Hier?“
„Ja, wo denn sonst?“, fragte Yuuyu.
Der Drache überlegte kurz: „Nun ich kann euch dorthin führen, aber ihr müsst wissen, eine Wiederbelebung kostet Opfer.“
„Was für ein Opfer?“, fragte Reika und der Drache lachte vielsagend.
„Ein menschliches natürlich.“
Reikas Augen weiteten sich schlagartig. Ein Menschenopfer? Wollte sie das wirklich? Der Drache ließ sie beide auf seinen Rücken steigen und flog mit ihnen los.
Kapitel 7
Als sie bei der Quelle ankamen, sahen sie menschliche Steinfiguren, die überall um die Quelle herum standen. Die meisten hatten einen schockierten Blick oder weinten. Reika wollte sich gerade vor die Quelle zum Beten setzen, als sie von Yuuyu zurückgehalten wurde. „Nein! Bitte!
Reika, tu das nicht! Ich weiss ohne dich doch gar nicht was ich tun soll!
Bitte bleib bei mir!“ schrie sie.
„Ich muss!“ Reika hatte Tränen in den Augen genauso wie Yuuyu.
Sie setzte sich und begann zu beten „Oh Kami-sama, bitte, bring mir meine Liebsten zurück und nimm dafür mein Leben an.“ Sie flüsterte diesen Satz sieben Mal, bis plötzlich einige Figuren aus der Quelle empor stiegen. Reikos Sicht verwischte und sie spürte wie sich ihr Körper versteifte – sie wurde zu Stein.
All das war nun schon mehrere Jahre her. Reiko wurde als Heldin gefeiert und ihre wiederbelebte Familie trauerte um sie. Yuuyu lebte mit Reikos Familie, doch bereute sie immer, Reiko nie ihre wahren Gefühle offenbart zu haben.
Ende.