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Mut ist nicht definierbar - Herr F.

Chantal Fuhrmann


Mut. Das ist eines der Themen über die wir mit Herr F. sprechen. Unsere Gesellschaft beweist fortwährend Mut. Täglich. Die Regierungen der verschiedenen Länder oder der existierende Bürger. Egal, ob im Job, in der Familie oder im eigenen Ich. „Mut! Die Bandbreite zu diesem Begriff ist sehr groß.“ Sagt auch der 68-jährige Rentner aus Hamburg-Nienstedten. 

 

Hamburg. Wir treffen uns zum Interview mit Herrn F. Fein, aber gemütlich gekleidet, begrüßt uns der Hamburger freundlich und macht somit einen sympathischen ersten Eindruck. Gleich zu Beginn erzählt er uns offen etwas über sich und sein Leben. Herr F. ist seit 40 Jahren verheiratet, hat 3 Kinder und 2 Enkelkinder. „Ich habe meinen Kindern immer viel Mut zugesprochen”.  

 

Seine Kinder sind nun alle zwischen 30 und 35 Jahre alt. Damals – so Herr F. – habe er seinen Kindern viel Mut gegeben auf ein Gymnasium zu gehen. Letztendlich sind sie alle auf das gleiche gegangen. Durch die Schulbildung sind seine Kinder heute erfolgreich berufstätig. Lehrerin, Diakonin und Informatiker sind sie geworden. Nach seiner Schullaufbahn, die er 1966 an der Volksschule Nienstedten beendete, absolvierte er eine Ausbildung zum Elektroniker. Später wurde er Vertriebsleiter spezialisiert auf KFZ-Werkstätte. Für knapp 40 Jahre war er dort berufstätig. „Heute hätte ich es hundert Prozent anders gemacht!“ Mit diesem Zitat erzählt Herr F. uns eine Geschichte, bei der der eigentlich selbstbewusste Mann kein Mut zeigen konnte. Er selbst war Abteilungsleiter dieser Vertriebsleitung, jedoch war dort noch der Geschäftsführer. Die Frau von seinem damaligen Mitarbeiter ist verstorben. Herr F. wollte sich durchdringen und ihm zwei Monate frei geben, da dieser fast vor einem Burn-out stand. Sein Chef jedoch verweigerte dies. Herr F. konnte ihn nicht überreden und bereut dies heute. „In dieser Situation habe ich keinen Mut gezeigt. Ich hatte Angst vor den Konsequenzen bei Missachtung der Regeln”. 

 

Letztendlich wurde sein Mitarbeiter von seinem Arzt beurlaubt. Gleichzeitig ist Herr F. seit über 30 Jahren in der Kirchengemeinde in Nienstedten aktiv. Überwiegend als Mitglied im Bau- und Finanzausschuss. Das Interesse an der Kirche bekam er bereits in jungen Jahren, da seine ganze Familie schon immer mit der Kirche zu tun hatte. Die sehr aktive Gemeinde hat derzeit viele junge zukünftige Konfirmanden und aktive Mitglieder. Ein sehr großes Projekt war zum Beispiel die Renovierung der Kirche. 

 

Innerhalb von zwei Jahren hat die Gemeinde 1,3 Millionen Euro gesammelt um die Renovierung zu finanzieren. Herr F. selbst musste damals Vorträge halten und Stiftungen davon überzeugen zu spenden. Dies erforderte ebenfalls viel Mut. Die Gemeinde ist nebenbei ehrenamtlich in der Flüchtlingsunterkunft “Sieversstücken” aktiv. Dort haben sie eine Fahrradwerkstatt. Sie sammeln alte Fahrräder, reparieren sie und geben sie an die Flüchtlinge, die sich keine eigenen leisten können. Durch Spenden und regelmäßige Gottesdienste können sie diese Reparaturen finanzieren. “Flüchtlinge sind eine Bereicherung für Deutschland!”. Herr F. steht den Flüchtlingen in Deutschland sehr positiv gegenüber. Was heute bei vielen älteren Menschen nicht zu finden ist. Das erste Mal Fallschirmspringen 1975. In diesem Jahr bewies Herr F. besonders viel Mut, denn da sprang er das erste Mal aus einem Flugzeug. Als wir ihn fragen, ob er ein mutiges Erlebnis aus der Vergangenheit habe überlegt er kurz. „Ja, da fällt mir eine große Sache ein”. Mehrere Jahre ist er Fallschirm gesprungen, bis er aufhörte. „Kurz vor dem Einstieg war ich mir noch unsicher”. Seien wir mal ganz ehrlich: Aus einem Flugzeug zu springen, was in mehreren tausend Metern fliegt ist schon sehr mutig. Das würde sich sicherlich auch nicht jeder trauen. Herr F. selbst sagt, dass er keine Höhenangst habe, aber diese Lebenserfahrung erforderte schon viel Mut. „Mein Vater war sehr flugbegeistert!”. Dieser besaß auch einen Pilotenschein für kleinere Flugzeuge. Durch die Begeisterung seines Vaters kam er zu dem Entschluss Fallschirm zu springen. Und er bereut bis heute nicht es damals gewagt zu haben. Vorbild? Helmut Schmidt! Natürlich können wir es uns nicht entgehen lassen Herrn F. zu fragen wer sein Vorbild ist. Auf diese Frage kommt eine sehr überraschende Antwort. „Ich habe viele Vorbilder, aber Helmut Schmidt hat mich geprägt“. Seine Begründung hat ebenfalls mit Mut zu tun. Bevor Helmut Schmidt 1974 Bundeskanzler wurde, war er Senator in Hamburg. Zum Zeitpunkt der großen Sturmflut in Hamburg 1962 war Herr F. zwölf Jahre alt. Helmut Schmidt hat damals eigenhändig entschieden den Notstand auszurufen und die Bundeswehr zu kontaktieren, die kurze Zeit später nach Hamburg unterwegs war. Dies Verstoß damals gegen das Grundgesetz, aber Schmidt war das egal. Er wollte Menschen helfen, was er durch diese Aktion auch getan hat. Für Herrn F. hat er großen Mut gezeigt und er ist bis heute sein Vorbild. An jenen Tagen hat Herr F. darüber hinaus nach der Krise in Hamburg bei dem aufräumen mitgeholfen. „Rauchen war früher gesellschaftsfähig“ Während unseres Interviews kommen wir auf das Thema Entwicklung und Jugend. Wir fragen Herrn F., ob und wie er sich im Vergleich zu früher entwickelt und verändert hat. „Ja, auf jeden Fall!“. Als Beispiel nimmt er das Rauchen. „Rauchen war früher gesellschaftsfähig“. Früher war es gesellschaftlich angesehen und vollkommen normal zu rauchen. Doch heute resultiert dieses Verhalten schon in jungen Jahren aus dem Gruppenzwang. „Sie haben nicht den Mut nein zu sagen“, denkt auch Herr F. Herr F. weist viel Lebenserfahrung auf und zeigt diese auch. Ein sympathischer Mann, der schon reichhaltig Mut bewies und dies in Zukunft sicherlich auch noch weiterhin tun wird.