Blue Moon Circus
von Berit Markmann
Seit ich 10 war, wünschte ich mir nichts mehr als, meinen großen Bruder zu finden. Dass er auf spurlose Weise verschwand, war nun sieben Jahre her. Die letzten Jahre hatte ich also damit verbracht ihn zu suchen. Und noch nie war ich so nah dran ihn zu finden, wie jetzt.
Vor zwei Wochen machte ich mich auf, den Zirkus zu suchen, den mein Bruder Cassian mehrfach in seinen Tagebucheinträgen erwähnt hatte. Cassian liebte es zu schreiben und nutzte jede freie Minute, um seine Gedanken auf Papier zu bringen. Ich lese Cassian’s Tagebuch immer und immer wieder, in Hoffnung etwas mehr über sein Verschwinden herauszufinden. Dem Tagebuch zufolge hatte Cassian sich in eine Schlangenbeschwörerin Namens Wenrys verliebt und hatte vor, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Mich enttäuschte es ein wenig, dass er mir nie etwas von ihr erzählt hatte. Wir waren uns immer so nahe gewesen, doch jetzt fühlte es sich an, als ob ich ihn kaum kannte. Doch ich war mir sicher mein Bruder würde mich niemals, wegen einer Frau, alleine auf den Straßen von Yldur zurücklassen. Seit wir klein waren, kümmerte er sich um mich. Es waren immer nur wir zwei, seit unsere Mutter für ein Verbrechen hingerichtet wurde, dass sie begangen hatte um uns zu schützen.
Mit dem Geld, welches ich über die Jahre hinweg auf mühsame Weise gesammelt hatte, hatte ich mir ein Pferd leisten können um endlich aufzubrechen und Cassian zu suchen. Ihr Name war Jolly und sie war eine, etwas faule, aber schöne Fuchs-Stute. Ich ließ Jolly gerade auf einer Wiese grasen, während ich an einem Baum gelehnt voll und ganz in Cassian’s Tagebuch vertieft war. Aber als ich auf die nächste Seite umblätterte, fing das Buch auf einmal an zu leuchten. Da wo normalerweise nur noch leere Seiten sein sollten stand auf einmal etwas. “Galatea, ich weiß, dass du aufgebrochen bist, um mich zu finden. Du denkst wahrscheinlich ich muss gerettet werden. Doch was wenn ich dir sage, dass ich dich gar nicht sehen will? Ich habe schon immer nur getan, was ich wollte, das weißt du doch. Und wenn du mich suchen willst, werde ich mich verstecken. Also tu uns beiden einen Gefallen und kehre um, kleine Schwester.”, las ich die Zeilen laut vor. Das kann nicht wirklich passiert sein. Aber ich hatte seit Tagen nicht geschlafen. Ich muss eingeschlafen sein. Das hier war nur ein Traum. Das musste es sein! Ich versuchte mich zu kneifen, doch nach einigen Minuten merkte ich, dass das hier doch kein Traum sein konnte. Ich entschied mich dennoch weiter zu reisen, da ich nach sieben Jahre langem Suchen nicht einfach aufgeben konnte.
Am Abend kam ich in einer hell beleuchteten Stadt an. Ich stoppte bei einer Frau, um sie nach dem Weg zu fragen. Mit ruhiger Stimme sprach ich: “Entschuldigen Sie, wissen sie wo sich der Zirkus Blue Moon zurzeit aufhält?”. “Aber natürlich! Folge einfach der nächsten Straße, dann solltest du den Zirkus schon sehen können.”, antwortet sie mir mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ich bedankte mich, bevor ich mich auf den Weg machte.
Nach 10 Minuten Reiten, war ich schon beim Zirkus angekommen. Ich band Jolly an und schlich in das Zelt. Es war viel los im Zelt. Ich hörte viele Menschen lachen. Gerade jonglierte ein Clown 14 Gegenstände, während eine Seiltänzerin über ihm Saltos und Flick-Flacks auf dem Seil vorführte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Es war ganz anders als ich mir einen Zirkus auch nur hätte erträumen können. Es war fesselnd und beängstigend zu gleich. Aber da die Schlangenbeschwörerin nirgendwo zu erkennen war, verließ ich das Zelt wieder.
Ich ging in Richtung der etwas kleineren Zelte, die vermutlich von den Zirkus Artisten bewohnt wurden. Plötzlich hörte ich einen lauten, wütenden Schrei. “Scheiße! Wie zur Hölle hab ich den schon wieder verfehlt?!” Schnell versteckte ich mich hinter einer Wand. Als ich mich sicher genug fühlte, guckte ich vorsichtig um die Ecke. Was ich vorfand, war ein junger Mann, der mit einem Messer in der Hand vor einer ziemlich mitgenommenen Zielscheibe stand. Fast alle Messer sind ziemlich mittig gelandet, außer eins, was am rechten Rand der Zielscheibe stecken geblieben ist. Darüber musste er sich aufgeregt haben. Dennoch fand ich seine Präzision bewundernswert. Als er sich ein Stück umdrehte, um seine am Boden liegende Jacke aufzuheben, konnte ich einen Blick auf sein Gesicht erhaschen. Er hatte wunderschöne graue Augen und eine leicht gekrümmte Nase. Seine schulterlangen schwarzen Haare waren in einem chaotischen halb Zopf zusammengebunden. Er war kurz gesagt das Schönste, was ich je gesehen hatte.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als auf einmal eine weitere Person auftauchte. Es war die Seiltänzerin, die vorher mit dem Clown aufgetreten ist. Sie hatte braune Haare und ein freundliches Gesicht. Auf einmal hörte ich eine Stimme. “Alva, hast du Cirilla und Valerian gesehen? Sie sind als nächstes dran und es ist keine Spur von ihnen zu finden.” Ich war mir sicher, dass die Seiltänzerin gesprochen haben musste, doch ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ihre Lippen sich auch nur ein kleines Stück bewegt hatten. Aber ich hatte keine Zeit dies zu hinterfragen, da die zwei auf einmal in meine Richtung gelaufen kamen. Ich lief so schnell es ging in eine kleine Gasse, zwischen den Zelten. Ich lief eine gute halbe Stunde über den Hof, bis ich auf einmal Stimmen hörte. Also schlich ich mich an den Eingang des Zeltes, um festzustellen, dass es das Zelt des Clowns sein musste. Er saß vor einem Spiegel und war dabei, sich die Schminke aus dem Gesicht zu wischen. “Du wirst es nicht glauben, Gonta! Cirilla und Valerian haben schon wieder die Gestalt von zwei Gästen angenommen, um sich vor mir zu verstecken.” Sagte die Seiltänzerin, die sich neben ihm platziert hatte. Ihre Gestalt verändert? Der Clown, namens Gonta, sagte: “Aber du hast sie doch gefunden, oder etwa nicht? Das ist doch alles was zählt.” Und in dem Moment konnte ich den ersten Blick auf das ungeschminkte Gesicht, des Clowns, werfen. Ein Schock fuhr durch meinen Körper. Unter dem Make-Up verbarg sich verrottete Haut, die einem Zombie gehören könnte. Mir entkam fast ein Schrei, aber jemand schlug mir rechtzeitig seine Hand vor den Mund. “Schrei nicht.” Ich nickte und die Hand verließ meinen Mund. Langsam drehte ich mich um und guckte Alva, den Messerwerfer, mit großen Augen an. “Entspann dich. Ich bin auf deiner Seite.” Versuchte er mich zu beruhigen. Bevor ich etwas sagen konnte, zog er mich in das Zelt. Der Clown guckte uns beängstigt an, während das Mädchen nur ausdruckslos in unsere Richtung starrte. “Alva..? Was hat das zu bedeuten?” fragte Gonta ängstlich. Alva zeigte auf mich und fing an zu reden. “Sie hat dich ohne Make-Up gesehen und euer Gespräch über die Zwillinge gehört. Aber keine Sorge, Krado hat noch nichts von ihr mitbekommen.” Nun wand er sich zu mir. “Da fällt mir ein, dass wir uns noch gar nicht vorgestellt haben. Mein Name ist Alva und ich bin Messerwerfer, der Clown ist Gonta und das Mädchen ist unsere Seiltänzerin Aria.” Ich versuchte mein bestes Lächeln für ihn aufzusetzen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sage: “Mein Name ist Galatea und ich bin hier um meinen Bruder Cassian zu finden.”
Alle guckten mich Sprachlos an. Stille. Die erste, die die Stille unterbricht war Aria. “Mhh.. In dem Fall werden wir dir wohl die Wahrheit erzählen müssen. Cassian ist schon lange tot.” Mein Herz stoppte. “Genau genommen sind wir alle Tod. Doch unser Zirkus Direktor Krado war so gütig, uns die Chance zu geben, weiterhin auf dieser Welt zu wandeln. Sein magisches Buch kann Leichen zu etwas lebenden machen. Unser Alva wurde nach seinem Tod zu etwas, wie einem Dämon, Gonta durfte als Zombie zurückkehren und ich als Geist. Das Mädchen, was du anguckst, ist nichts weiter als eine Puppe. Eine Hülle, in die ich hineinschlüpfte. Es gibt noch andere hier. Zum Beispiel deinen Bruder, der sich in eine Schlange verwandelt, und seine Freundin Wenrys, die Sirene. Die Zwillinge Valerian und Cirilla sind Gestaltenwandler-” “Stop! Erzähl ihr nicht alle unsere Geheimnisse!” schrie ein Junge, der um die 15 Jahre alt sein musste. Ein Mädchen trat vorsichtig hinter ihm hervor. Das mussten Valerian und Cirilla, die Zwillinge, sein. Cirilla meldete sich zu Wort. “W..warum erzählt ihr ihr das? Ihr wisst genau was Krado mit ihr tun wird, wenn er sie findet. Er hat damals Cassian umgebracht und er wird auch sie töten.” Das Mädchen klang gestresst. Sie guckte sich zu allen Seiten um, um sicher zu gehen, dass keiner unser Gespräch belauschte. “Er wird es nicht rausfinden, Ciri.” versuchte Aria sie zu beruhigen. Cirilla stürmte auf mich zu, drückte mich fest und unter Tränen sagte sie: “Bitte.. wir müssen sie verstecken. Wir müssen Cassian von ihr erzählen!” “Nein!” Alva schreit auf einmal. Als er bemerkte, wie laut er geworden war, senkte er seine Stimme wieder. “Nein, wir dürfen Cassian noch nichts erzählen. Er steht unter ständiger Beobachtung von Krado.” Langsam fühlte ich mich wohl genug, um selbst Wort zu erheben. “Stop. Ich bin nur hergekommen um meinen Bruder zu finden. Ihr könnt mir nicht verbieten ihn zu sehen!” Langsam verlor ich meine Geduld. “Gala, bitte hör mir zu,” Alva griff mein Gesicht. Ich glaube ich bin leicht rot geworden. “du wirst deinen Bruder noch sehen. Das verspreche ich dir. Doch noch nicht jetzt. Es ist zu gefährlich.” Ich nickte und ließ mich von Aria zu einem anderen Zelt führen. “Das hier ist mein Zelt. Wenn du möchtest, kannst du hier eine Zeit mit mir leben.” “Danke, Aria. Ich weiß das sehr zu schätzen.” Ich legte die Tasche, mit all den wenigen Dingen, die ich besaß, auf Aria’s Bett. Ihre Puppe saß nun zusammengekauert auf dem Boden und ich hatte keine Ahnung, wo Aria sich aufhielt. “Fühl dich ganz, wie zuhause. Du kannst auf dem Bett schlafen, ich schwebe im Schlaf meistens sowieso nur im Raum herum.” Ich hörte sie leise kichern. Mir schlich ein Lächeln aufs Gesicht. Kurz darauf versank ich schon in meinen Träumen.
“Cassian, mein tapferer Junge. Bitte pass auf deine Schwester auf. Pass auf, dass sie immer genug zu essen hat.” Die Stimme meiner Mutter brach. Sie wusste, dass sie uns nach dieser Tat nie wieder sehen wird. Sie hält ein kleines Mädchen mit roten Haaren im Arm und reicht sie dem Jungen. Ein Mann taucht auf. Er trägt die Kleidung eines Zirkus Direktors. “Lauft!” Schrie meine Mutter, bevor ein lauter Knall erklang. Auf einmal wurde alles schwarz. Das nächste, was ich sah war meine Mutter auf einer Bühne, die für Hinrichtungen vorgesehen war. Ein edel aussehender Mann spricht: “Mein Volk, diese Verbrecherin benutzte Magie. Unser Reich soll in Frieden lieben. Das geht nur, wenn jeglicher Verbrauch von Magie verboten wird. Nun sollt ihr miterleben, was passiert, wenn diese Regel gebrochen wird.” Er holte tief Luft, bevor er schrie: “Ab mit ihrem Kopf!”.
Ich wachte schweißgebadet auf. Es musste schon später Nachmittag sein. Ich konnte mich trotzdem nicht dazu bringen aufzustehen.
Es war nicht der erste Alptraum, den ich hatte, seit ich hier war. Seit ein paar Tagen lebte ich bei Aria, aber meinen Bruder hatte ich noch nicht gesehen. Er hatte also nicht gelogen, als er sagte, er würde sich vor mir verstecken. In den letzten Tagen habe ich noch mehr über die Umgebung erkundet. Ich wusste nun genau, wo sich die Zelte meiner neu gefunden Freunde befanden. Genau wie Alva’s Zelt. Alva, der mich schon vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen hatte. Irgendwie hatte ich es in der kurzen Zeit geschafft, eine Verbindung zu ihm aufzubauen, obwohl ich versucht hatte, das zu vermeiden. Er gehörte zu dem Zirkus, aber ich würde nach Hause gehen, sobald ich meinen Bruder befreit hatte.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als ich Jemanden von draußen schreien hörte. “Wo ist sie?! Hat er sie gefunden?” Es war Alva’s Stimme. Die Panik in seinen Worten lässt mir einen Schauer über den Rücken fahren. Ich trat aus dem Zelt und blickte in Alva’s mit Angst erfüllten Augen. “Gott sei Dank!” Er stürmte auf mich zu und zog mich in eine feste Umarmung. “Krado weiß, dass jemand hier ist. Er hat das Pferd gesehen, das seit Tagen angebunden am Eingang steht.. Aber keine Sorge, ein paar Kinder haben sich scheinbar darum gekümmert, dass es Wasser bekommt.” Jolly.. ich hatte komplett vergessen, dass sie da war. “Komm, wir haben kaum noch Zeit, bevor Krado’s Vorstellung endet. Vorher müssen wir dich hier weg gebracht habe-" “Nein! Ihr habt mir versprochen ich würde meinen Bruder wiedersehen.” Alva versuchte meinen Arm zu packen, doch ich lief vor ihm weg. Als ich gerade das Gefühl hatte, ihn abgehängt zu haben, bemerkte ich eine Frau, die mich anstarrte, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie hatte wunderschöne weiße Haare, die ihre braune Haut betonten. Sie trug eine weiße Schlange auf den Schultern, die sie aber ablegte, als ich geradewegs auf sie zu gelaufen kam. Als ich nah genug war, konnte ich hören, wie sie seufzte und in Richtung der Schlange sagte: “Sie hat uns gesehen Cas. Wir können uns nicht weiter verstecken. Wenn Krado bis jetzt noch nicht wusste, dass sie hier ist, wird er es jetzt wissen.” Ich trat näher. Ich merkte, wie die Schlange, mit schnellen Bewegungen, hinter einem Vorhang verschwindet. “Du musst Wenrys sein. Die Sirene, die mir meinen Bruder genommen hat.” Noch bevor sie mir antworten konnte, trat eine Person hinter dem Vorhang hervor, hinter dem die Schlange verschwunden war. Ich kann es nicht glauben. Diese bekannten Roten Haare. Diese braunen Augen. Ich würde Cassian überall erkennen. Es war mein Bruder, der vor mir stand. Die Schlange muss auch er gewesen sein. “Bruder, ich-“ Er schnitt mich ab. “Du musst gehen, Gala.” “Aber ich habe dich doch gerade erst wieder gefun-“ “Hast du mich nicht gehört? Verschwinde!” Er wirkte wütend. Ich merkte, wie seine Augen feucht wurden. “Bitte..” seine Stimme brach. “Bitte geh, Gala. Ich habe Mutter damals versprochen, dass ich dich beschützen werde. Wieso hast du nicht auf mich gehört, als ich versuchte über mein altes Tagebuch mit dir zu kommunizieren? Es ist zu gefährlich für dich. Dir soll nicht das selbe geschehen, wie mir damals. Du musst gehen, bevor Krado hier ist.” Wenrys legte ihre Hand auf Cassian’s Schulter und sagte ruhig: “Es ist zu spät.” Sie hob ihren Arm und zeigte hinter uns. Ich drehte mich um, nur um einen Mann zu sehen. In rot gekleidet, kam er mit düsteren Blick auf uns zu. Er kam mir unheimlich bekannt vor. Und da wurde es mir schmerzlich bewusst. Das war der Zirkus Direktor aus meinem Traum. Der Mann, der für den Tod meiner Mutter verantwortlich war. Ich wusste nicht, ob ich weglaufen, oder ihn konfrontieren sollte. Doch bevor ich nachdenken konnte, packte Cassian mich am Arm und rannte, so schnell er konnte. Ich hatte Probleme damit, hinterher zu kommen. Einen Blick zurück auf Krado erlaubte ich mir nicht, da ich befürchtete, ich würde dann stolpern. Wir hatten ihn gerade abgehängt, als ich mich von Cassian losriss und geradewegs in Richtung Alva’s Zelt lief.
Als ich ankam, machte ich keine Anstalten mich anzukündigen. Ich stürmte in sein Zelt, mit dem Ziel, ihn ein letztes Mal zu sehen. Wir umarmten uns. “Wo warst du? Ich habe dich überall gesucht. Ich dachte dir wäre etwas passiert…” sagt er mit leiser Stimme. Wir lösten uns und ich bewunderte seine grauen Augen. “Du musst mir zuhören, Alva. Cassian und ich müssen den Zirkus verlassen. Sofort. Krado hat rausgefunden, dass ich hier bin. Ich bin hier, um mich zu verabschieden. Das mag egoistisch sein, doch ich wünsche mir, dass du mich nicht vergisst.” Alva guckte mich an und seine düstere Miene verwandelt sich in ein mitleidiges Lächeln. “Du denkst doch nicht, dass ich dich einfach gehen lasse. Ich komme mit.” “Nein.. Du kannst nicht mit. Es ist zu gefährlich..” Er drückte meine Hände. “Galatea, ich werde dich niemals wieder alleine lassen. Aber wir haben jetzt keine Zeit, um zu diskutieren, Liebes. Also akzeptiere meine Entscheidung.”
Er nahm meine Hand und führte mich nach draußen. Während wir geredet hatten, war es fast dunkel geworden. Cassian wartete vor dem Zelt auf uns. Sofort machten wir drei uns auf den Weg. Cassian war der Meinung, es sei der sicherste Weg, durch den Haupteingang zu fliehen. Ich vertraute ihm. Es wurde von Minute zu Minute immer dunkler. Die Sicht immer schlechter. Ich drückte Alva’s Hand noch fester, aus Angst ihn zu verlieren. Kurz bevor wir den Ausgang erreichten, blieben Alva und Cassian stehen. Vor uns konnte ich die Silhouette eines Mannes erkennen. Ich war mir fast sicher, dass es Krado war, der uns den Weg versperrte. Meine Vermutung wurde bestätigt, als er langsame Schritte auf uns zu machte und seine Stimme erklang. “Habt ihr Wirklich gedacht ich lasse euch gehen? Habt ihr gedacht ich finde euch nicht?” Er lacht. “Aber dabei war es doch meine Idee gewesen, dass ihr auf diesem Wege flieht.” Er guckte kurz Cassian an und dann wieder uns. Auf einmal hielt er ein rotes, Leder gebundenes Buch in die Höhe. “Seht ihr das? Das ist das Buch des Blauen Mondes. Vor Hunderten von Jahren wurde es von einem mächtigen dunklen Zauberer erschaffen. Er nutzte das Buch, um eine Armee aus Toten zu erschaffen und die Welt unter seine Herrschaft zu bringen. Das Buch erlaubte ihm jeweils zwei wandelnde Leichen zur Zeit zu manipulieren und kontrollieren. Die Armee wandte sich letztendlich gegen ihn und setzte seinem Leben ein Ende. Mit seinem Tod verschwand auch jegliche Magie, die in den Leichen steckte. Sie fielen reglos zu Boden. Nun fragt ihr euch, was das mit euch zu tun hat. Oder nicht?” Er guckte uns erwartungsvoll an. Keiner antwortet. “Ich habe die absolute Kontrolle über euch. Ich habe euch Leben gegeben und ich kann es euch genauso gut wieder nehmen. Ihr seid mein Eigentum. Und ich lasse es nicht zu, dass sie euch stiehlt.” Er guckte jetzt nur noch Alva und Cassian an. “Cassian, mein Junge, deine Idee, durch den Haupteingang zu fliehen, stammt doch eigentlich von mir. Dein kleines Gehirn ist gar nicht dazu in der Lage, so weit zu denken.” Cassian’s Gesicht wird bleich. Mir ekelt es dabei, wie er über meinen Bruder redet. Ich wollte gerade etwas sagen, als Krado sich an mich wendet. “Und du, naives Vögelchen. Hast du wirklich geglaubt ich würde nichts von deiner kleinen Romanze mit Alva erfahren? Hast du geglaubt ich würde dich gehen lassen, nachdem du von dem Geheimnis dieses Zirkus erfahren hast? Hast du geglaubt ich würde dich zwei meiner wertvollsten Gegenstände stehlen lassen?” Er lachte. Mir wurde schlecht. Ich suchte Blickkontakt zu Alva, um mich zu vergewissern, dass es ihm gut ging. Er sah so zerbrechlich aus.
Krado gefiel es ganz und gar nicht, dass meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf ihm lag, sondern auf Alva. Er erhob seine Stimme. “Meine Damen und Herren, nun demonstriere ich euch die Macht, die das Buch des blauen Mondes trägt.” Er fängt an etwas in sein Buch zu schreiben. Ein letzter Blick zu dem nun angespannt wirkenden Alva. Ein stechender Schmerz machte sich plötzlich in meiner Brust breit. Ein Blick nach unten. Ein Blick auf das Messer, was direkt neben meinem Herz gelandet war. Ein Blick zu Alva. Ein Blick in seine mit Tränen gefüllten Augen. Ich fiel zu Boden.
“Mhhh.. Komisch.. Alva hast du das Messerwerfen verlernt? Ich habe klar und deutlich geschrieben, dass du sie im Herzen triffst.” Krado klang verwirrt. Doch ich war mir sicher, dass Alva versucht hatte, sich gegen die Manipulation zu wehren. Er hatte mein Herz mit Absicht verfehlt.
Ich hörte meinen Bruder schreien. Mittlerweile waren auch die anderen am Platz des Geschehens angekommen. Wenrys hält meinen Bruder im Arm. Gonta drückte die Zwillinge fest an sich. Er wollte nicht, dass sie das mit ansehen müssen.
Im nächsten Moment spürte ich, wie sich Alva’s Hände um meinen Körper schlangen. Ich versuchte meine Arme um ihn zu legen, doch ich konnte die nötige Kraft nicht aufbringen. So fühlte es sich also an zu verbluten. Alva’s Tränen fielen auf mein Gesicht. Einige schafften es in meinen leicht geöffneten Mund. Der Geschmack von Salz erinnerte mich an die immerzu versalzene Kartoffelsuppe, die meine Mutter mir als kleines Kind oft gemacht hatte. Ob ich sie wohl wiedersehen würde, wenn ich erstmal tot war?
“Alva.. Sie ist mein Feind.. Sie ist unser Feind. Wie kannst du mich, deinen Erschaffer, nur so hintergehen?” Krado klang beleidigt. “Zu deinem Pech habe ich aber keine Zeit für Verräter.” Er holte sein Buch erneut raus.
Die Geräusche um mich rum wurden immer leiser. Ich bekam Panik. Meine Sicht verschwamm immer mehr. Ich sah Alva an, dass er wusste, was gleich passieren würde. Ein letztes Mal formten seine Lippen die Worte ‘Ich Liebe dich’, bevor das Leben aus seinen Augen erlosch und sein Körper zu Boden fiel.
Ich verspreche dir, wir werden uns wiedersehen, Alva. Vielleicht nicht im nächsten Leben, vielleicht auch nicht in dem darauf, aber ich werde dich finden.
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