· 

Eine, zwischen so viel größerem

von Sisan Dranix. 

 


„Was bin ich schon?“, schrie sie in die Nacht hinein. Die Regentropfen prasselten auf sie nieder und ihre Haare und Kleidung klebten schon an ihrem Körper. Das hielt sie, aber nicht davon ab, weiter ihren Frust ins Dunkle hinauszubrüllen: „Was bin ich schon im Vergleich zu den Weiten des ganzen Universums? Warum sollte sich auch irgendwer um mich scheren? Ich bin ja nur eine von Millionen anderen.“

 

„Und das ist genau der Moment, wo sie entweder zu Grunde gehen oder doch noch die Kurve kriegen“, meinte meine große Schwester neben mir, die genauso wie ich durch das kleine Fenster guckte und das Mädchen auf der Erde beobachtete. Ich beachtete sie nur mit einem „Dein Ernst“ Blick, den sie aber gekonnt ignorierte und einfach weiter redete: „Sie sieht mir aber eher so aus, als hätte sie bereits aufgegeben. Schade eigentlich, soweit ich weiß, war etwas anderes für sie vorherbestimmt gewesen.“

 

„Warum machen wir dann nichts und schauen nur auf sie herunter?“, fragte ich und machte denselben Fehler wie sonst auch immer, indem ich auf ihre dummen Spielchen einging. Da lachte sie auch schon los, konnte sich gar nicht mehr einkriegen. „Du bist echt so naiv. Wie fällst du nur immer auf das gleiche Spiel hinein?“, brachte sie zwischen zwei Lachanfällen heraus. Diesmal war ich diejenige, die sie ignorierte. Es zumindest versuchte. Aber ziemlich schnell scheiterte. „Aber wenn etwas anderes vorherbestimmt ist, wäre es dann nicht eigentlich unsere Aufgabe ihr zu helfen, das zu erfüllen, anstatt hier zu sitzen und einfach zuzugucken wie dieser Mensch verzweifelt“, zweifelte ich unser Tun an. „Du hast es echt immer noch nicht verstanden, oder?“, seufzte sie. „Wir können nichts tun“, begann sie mir zu erklären, wurde aber von einem weiteren Wutausbruch von dem Mädchen auf der Erde unterbrochen: „Es gibt so viele verschiedenen Versionen von euch, aber eines haben sie alle gemeinsam, wir schauen zu euch auf und ihr lasst uns hier in diesem Dreck ertrinken. Wie soll ich nur weiter an euch glauben, wenn ihr mich einfach im Stich lasst. Mein Leben lang probiere ich jede Schwierigkeit einfach zu bewältigen in dem Glauben irgendwann wird es schon besser, irgendwann wird es sich auszahlen, aber wisst ihr was, ich habe es satt. Ich habe es satt die ganze Zeit hinzunehmen, dass mein Leben einfach scheiße ist. Eigentlich kann es gar nicht sein, dass irgendwelche Götter existieren, egal in welcher Version. So böse könnt ihr gar nicht sein.“

 

„Das war jetzt aber eine ziemliche Beleidigung und du möchtest, dass wir ihr helfen. Da siehst du was man zurückbekommt“, beschwerte sich meine Schwester. Natürlich kaum greift jemand ihr Ego an und sagt einmal die Wahrheit, ist sie gleich eingeschnappt. „Naja genaugenommen haben wir ihr auch nicht geholfen, also kannst du es nicht als das, was wir zurückbekommen, bezeichnen“, berichtigte ich sie. „Sag mal, kann es sein, dass du Mitleid mit dem Mensch hast?“, fragte sie mich entgeistert. „Nein. Ich verstehe es nur nicht. Das ist mein Problem. Warum helfen wir ihr nicht? Warum bestimmen wir irgendetwas für sie vorher, wenn wir ihr dann nicht helfen, das zu erreichen“, erwiderte ich. „Du bist echt nicht dafür geschaffen ein Gott zu sein“, stellte meine große Schwester fest. „Nein. Bin ich nicht. Theorietisch bin ich ja auch keiner. Ich bin nur die Tochter eines Gottes. Heißt keine wichtigen Aufgaben, die man mir anvertrauen würde, sondern nur das Verdammnis ein ewiges Dasein fristen zu müssen“, fasste ich unserer beider Situation zusammen. Kurz sah sie mich mit zusammengekniffenen Augenbrauen an, ehe sie endlich weiterredete: „Wenn du meinst. Jedenfalls ist es nicht unsere Aufgabe ihr Leben zu beeinflussen und das ist auch nicht die Aufgabe der wirklichen Götter.“

 

„Wie unlogisch ist das denn bitte jetzt schon wieder. Indem wir etwas vorherbestimmen, beeinflussen wir doch bereits ihr Leben“, unterbrach ich sie. „Könntest du mich einfach mal ausreden lassen“, zickte sie mich an, „Ja für sie wird etwas vorherbestimmt, aber nur das Ziel, welches ihr Leben haben soll. Wie sie dahin kommen, ist ihre Aufgabe und auch ihre eigene Sache. Da haben wir nichts mehr mit zu tun. Es gibt auch einige, die dieses Ziel niemals erreichen.“

 

„Aber warum?“, fragte ich sie. „Stell dir mal vor, du lebst ein Leben, welches schon Schritt für Schritt vorgeplant ist. Ist das dann überhaupt noch dein Leben? Eigentlich bist du dann doch viel eher wie eine Figur in einem Spiel. Die Lebewesen sollen ihre eigene Entscheidungsmacht behalten und nicht einfach etwas ausführen, was vorher so bestimmt worden ist. Also ich fände die Vorstellung ziemlich schrecklich, dass sich irgendjemand ausgedacht hat, wie mein Leben verlaufen wird und ich keine Möglichkeit habe das selber zu ändern“, erklärte meine Schwester. Ich wollte gerade etwas erwidern, da meldete sich wieder das Mädchen, das unser ganzes Gespräch ausgelöst hatte zu Wort: „Wisst ihr was. Ihr könnt mich mal. Ihr alle, die gerade zugucken und kein Finger rühren. Ich habe es satt eure Handpuppe zu spielen. Ich habe dieses Spiel so satt. Das ist immer noch mein Leben.“ Und damit ging sie und war für uns nicht weiter sichtbar. „Ich glaube sie hat da einen etwas anderen Glauben, was die Aufgabe der Götter betrifft“, sprach ich das Offensichtliche an. „Tja, da kann man nichts machen“, erwiderte meine große Schwester und stand von dem Platz auf, wo sie die ganze letzte Zeit gesessen hatte, „Jetzt ist der Spaß eh vorbei. Ich gehe mal gucken, was die anderen so machen.“ Und schon war sie verschwunden. Wütend blieb ich zurück, wobei ich nicht mal sicher war, worauf ich wütend war. War ich auf mich oder besser gesagt die Götterschaft wütend? Wie wir mit den Leben der Menschen, Tiere und jeglichen anderen Lebewesen umgingen oder war ich sauer, dass eben diese nicht kapierten, dass wir nicht so handelten, wie sie von uns dachten und sich deshalb das Leben unnötig kompliziert machten? Ich werde es wohl nie erfahren. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0